Straßen für eine Bebauung von Oeynhausen Nord: Schelmenstück in – vorerst – 4 Aufzügen

 

ein Gastbeitrag von Wolfgang Mahnke

oeynhausen01

Bei der Firma Lorac, die Oeynhausen Nord 2008 zum Preis von Kleingartenland von der Post gekauft hatte, ist 2010 die Idee aufgekommen, zu versuchen, die Voraussetzungen für eine Bebauung auszuloten. Hierzu hat sie sich gegenüber dem Bezirksamt im Februar 2011 erboten, das Gelände hinreichend nach den Vorstellungen des Bezirks zu erschließen.

Mit Blick auf die tatsächliche und rechtliche Situation an den Außengrenzen des Areals war klar, dass das 1901 festgesetzte förmliche Straßenraster nicht mehr herstellbar ist. Lorac hat deshalb für die straßenmäßige Erschließung an den Außengrenzen (mit Ausnahme zur nördlich angrenzenden Forckenbeckstraße) eine halbierte Straßenbreite – d.h. Reduzierung der Breite von 15 m auf 7,5 m – vorgeschlagen.

Diesen Vorschlag hat das Tiefbauamt äußerst kritisch beurteilt. Insbesondere hat es sich nicht in der Lage gesehen, ohne eine Expertise über das Verkehrsaufkommen und dessen Ableitung zu entscheiden:

Tiefbauamt, Vfg vom 10.10.2011 (S. 2):

„Aufgrund der Vorhabengröße ist ein Verkehrsgutachten erforderlich, da wegen der beabsichtigten Wohnbebauung mit erheblichem Parksuchverkehr und einem erhöhten Verkehrsaufkommen zu rechnen ist. Dieses Gutachten muss die zu erwartenden künftigen Verkehre darstellen und die Aufnahmekapazitäten durch das öffentliche Verkehrsnetz nachweisen.“

Den hier bis Ende 2013 bekannten Akten lässt sich nicht entnehmen, ob und wie auf die Anregungen des Tiefbauamtes reagiert wurde. Eine wahrnehmbare Äußerung zur straßenmäßigen Erschließung macht das Bezirksamt dann erst wieder in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht im Rechtsstreit zwischen Lorac und dem Land Berlin über die Bescheidung der Bauvoranfrage am 9. Mai 2014. Das Gericht fasst die Einlassung des Bezirks und seine Wertung wie folgt in seinem Urteil vom gleichen Tage zusammen (Urteil vom 9. Mai 2014 zu VG K 177.12, S. 21 f):

„Soweit ihr Vorschlag zur verkehrlichen Erschließung am östlichen Rand des Bauvorhabens ausweislich des Lageplans nur eine 7,50 m breite Straße umfasst und damit nicht die durch den Baunutzungsplan i.V.m. mit den förmlich festgesetzten Straßenfluchtlinien vorgesehene doppelte Straßenbreite, stellt dies die plangemäße Erschließung nicht in Frage. Voraussetzung der plangemäßen Erschließung ist zwar, dass die Erschließung den Vorgaben des Bebauungsplanes folgt, es ist aber nicht erforderlich, dass die im Bebauungsplan vorgesehene Erschließung vollständig umgesetzt wird, wenn dies für die Erschließung des konkreten Bauvorhabens nicht erforderlich ist. Vorliegend hat der Beklagtenvertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung den von der Kammer anhand des Lageplans und eines Vergleichs mit der Erschließungssituation des westlich an das Vorhaben angrenzenden Wohngebiets gewonnenen Eindruck bestätigt, wonach die vorgesehene 7,50 m breite Straße für die Erschließung des klägerischen Vorhabens ausreichend ist.“

Die Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hatten auch Bezirksverordnete verfolgt. Da die Bezirksverordnetenversammlung keine Informationen über ein zwischenzeitlich etwaig eingeholtes Verkehrsgutachten hatte, hat der Bezirksverordnete Schlosser diese Ungewissheit zum Gegenstand einer kleinen Anfrage an das Bezirksamt gemacht (Kleine Anfrage des Bezirksverordneten Schlosser – Piraten – vom 2.10.2014 nebst Antwort des Bezirksamts vom 6. November 2014, BVV-DS 0400/4, zur „Erschließung der geplanten Bebauung Forckenbeckstraße“):

(Fragestellung Schlosser:)
1. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 9. Mai 2014 in ./. Land Berlin hat das Gericht die Frage gestellt, ob eine straßenmäßige Erschließung des Gesamtareals, bei dem teilweise nur die halbe Straßenbreite gegenüber dem maßgeblichen Straßenfluchtlinienplan erreicht wird, ausreicht. Aufgrund welcher Vorarbeit des Bezirksamtes wurde diese Frage von den bezirklichen Beklagtenvertretern bejaht?
und
2. Wurde für diese Vorarbeit ein Gutachten zu einem künftigen Verkehrsaufkommen eingeholt?
und
3. Falls ja: hat das Gutachten diese Antwort der bezirklichen Beklagtenvertreter rechtfertigt? Bitte die entsprechenden Ausführungen des Gutachtens beifügen.

(Antwort des Bezirksamts:)

Aufgrund des Beschlusses 0466/4 „Kolonie Oeynhausen“ vom 17. Januar 2013, für die westliche Teilfläche eine Wohnbebauung im Geschosswohnungsbau mit bis zu sechs Geschossen im Rahmen eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes zu ermöglichen, deren Verkehrserschließung von der Forckenbeckstraße her zu sichern ist, beantragte der Investor mit Schreiben vom 18. April 2013 die Einleitung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes. Teil des dazu eingereichten städtebaulichen Konzeptes ist auch das Erschließungskonzept gewesen. Darin werden die auf dem Grundstück nach den alten Straßenfluchtlinien festgesetzten „halben Straßenverkehrsflächen“ in einer Breite von 7,50 Metern für eine äußere Umfahrung der Baublöcke bei Errichtung von zwei Grundstückszufahrten zur Forckenbeckstraße hin als ausreichend angesehen.

(Fragestellung Schlosser:)
4. Falls kein solches Gutachten vorlag, bitte ich darzulegen, weshalb auf dessen Beauftragung verzichtet wurde und wie die Gründe für diesen Verzicht dokumentiert worden sind.

(Antwort Bezirksamt zu Frage 4:)
Entfällt.

Diese Antwort ist in zweierlei Hinsicht überraschend:
Zum einen bezieht sie sich auf die Vorbereitungen zu einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan, mit dem bei verdoppelter Geschosszahl das halbe Areal bebaut werden sollte. Diese vom Bezirksbaustadtrat als „Kompromiss“ verkaufte Variante ist nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (dort geht es um die Gesamtbebauung) und wurde nicht mehr weiterverfolgt, nachdem sie von der Bezirksverordnetenversammlung am 15. August 2013 verworfen wurde (Grundtenor: Keine Bebauung ohne Bürgerbeteiligung; BVV-DS 0662/4).
Zum anderen lässt die Antwort darauf schließen, dass zwar kein Verkehrsgutachten eingeholt worden ist, man aber darauf vertraue, dass die Annahme des Eigentümers zutreffe, die halbierte Straßenbreite an der Grundstücksumfahrung sei hinreichend und könne so gleichermaßen im Falle der Gesamtbebauung des Areals bewertet werden.

So muss das Bezirksamt argumentieren, wenn es gegen seine öffentlichen Bekundungen doch eine Bebauung zulassen will und dabei auch in Kauf nimmt, den Verwaltungsprozess zu verlieren. Damit wird gleichzeitig der Wille der Bezirksverordnetenversammlung unterlaufen, die dem Bezirksamt aufgegeben hat, alles für eine Grünflächenausweisung des Geländes zu tun.

Es ist also nur folgerichtig, dass der Bezirksverordnete Schlosser – wohl unschlüssig, ob er die Antwort glauben darf oder sich veralbert fühlen muss -noch einmal zur Güte klärend nachfasst (Kleine Anfrage des Bezirksverord-neten Schlosser – Piraten – vom 19.11.2014 nebst Antwort des Bezirksamts vom 22. Dezember 2014, BVV-DS 0400/4, zur „Erschließung der geplanten Bebauung Forckenbeckstraße II“):

(Fragestellung Schlosser:)
Der Antwort auf meine Kleine Anfrage zur „Erschließung der geplanten Bebauung Forckenbeckstraße“ (DS 0376/4) entnehme ich, dass der Eigentümer des Areals für die Bebauung des hälftigen Areals im Zuge der beabsichtigten Einleitung eines beschleunigten BPlan-Verfahrens ein verkehrliches Erschließungskonzept entwickelt hat, in welchem er die Halbierung der äußeren Binnenstraßen auf 7,50 m Breite noch als hinreichend für die Bewältigung des Verkehrsaufkommens ansieht, obwohl er sich in seinem undatierten Erschließungsangebot von Februar 2011 verpflichtet hatte, „die Erschließung unserer Grundstücke gemäß den … förmlich festgesetzten Straßenfluchtlinien … plangemäß herzustellen“.
Dies vorausgeschickt frage ich:
1) Ist das vom Eigentümer/Vorhabenträger vorgestellte Erschließungskonzept fachlich von der Verwaltung auch unter Berücksichtigung der Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen geprüft worden?
und
2) Eignet sich eine Einschätzung des Investors, die „halben Straßenverkehrsflächen“ wären ausreichend, die für die Hälfte des Areals abgegeben worden ist, als Grundlage für eine Entscheidung über die verkehrliche Unbedenklichkeit, die – gemäß dem Gegenstand des Verwaltungsgerichtsverfahrens Lorac gegen Land Berlin – für das gesamte Areal von Oeynhausen Nord und in Einklang mit dem Straßenraster des Baunutzungsplans zu treffen?
und
3) Wenn es eine fachliche Prüfung im Bezirksamt zur verkehrlichen Auskömmlichkeit der Binnenstraßenplanung gegeben hat: Für welche Bebauungsvarianten ist sie erstellt worden, und wie ist diese Prüfung nebst ihren Ergebnissen dokumentiert worden?

(Antwort Bezirksamt:)

Zum ersten Erschließungsangebot vom 1. Februar 2011, welches sich auf das gesamte Lorac-Grundstück bezieht, hat das damalige Tiefbau- und Landschaftsplanungsamt am 10. Oktober 2011 eine ausführliche Stellungnahme abgegeben. Die darin geäußerte Meinung, dass die inneren Erschließungsstraßen als Privatstraßen ausgeführt werden sollen, wurde und wird vom Stadtentwicklungsamt aufgrund der Größe des Baugebietes jedoch nicht geteilt. Das Erschließungsangebot wurde vom Bezirk vor Gericht als zumutbar bezeichnet, zumal der Investor angeboten hat, es gegebenenfalls nach den Wünschen des Bezirksamtes anzupassen.
Unabhängig vom strittigen eigentumsrechtlichen Status der zu bauenden Straßen, hätte bis zum Abschluss eines Erschließungsvertrages das Erschließungsangebot verhandelt werden müssen. Ein entsprechender Auftrag an das damalige Tiefbau- und Landschaftsplanungsamt durch den damaligen Baustadtrat erging nach meiner Kenntnis nicht. Im Zuge derartiger Verhandlungen wäre eine fachgutachterliche Stellungnahme erforderlich gewesen, deren Tragfähigkeit hätte beurteilt werden müssen.
Mit Schreiben vom 18. April 2013 beantragte die Groth-Gruppe die Einleitung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes gemäß dem BVV-Beschluss vom 17. Januar2013 zur Bebauung der westlichen Hälfte der Kolonie Oeynhausen. Zum städtebaulichen Konzept gehört ein weiteres Erschließungskonzept, das ein ringförmiges Straßennetz in der halben Breite der Straßenfluchtlinien vorsieht, welches von der Freien Planungs-gruppe Berlin als tragfähig bewertet wurde.
Eine Beteiligung des Fachbereiches Tiefbau in seiner Funktion als Träger öffentlicher Belange wäre erfolgt, wenn das Bebauungsplanverfahren eingeleitet worden wäre. Dazu kam es aber nicht, weil das Konzept „Teilbebauung“ mit dem BVV-Beschluss vom 15. August 2013 wieder verworfen wurde.

Die Ausführlichkeit dieser Antwort steht offenbar in dem Bemühen, das nicht mehr zu Verbergende verbal so zu verpacken, dass möglichst wenige darin das skandalöse Verhalten erkennen können. Eine klare Antwort hätte auch wie folgt lauten können:
1) Ein Verkehrsgutachten ist unerlässlich; es ist bis heute nicht eingeholt worden.
2) Das Bezirksamt hat sich im Verwaltungsprozess auf die Annahmen des Eigentümers verlassen; diese Annahmen beziehen sich auf eine andere Variante der Bebauung und damit auch der Erschließung.
3) Das Verhalten des Bezirks im Verwaltungsprozess war im gegebenen Zusammenhang inhaltlich und prozessual verfehlt.

Statt im Klartext zu antworten, verweist der jetzige Baustadtrat lieber darauf, dass sein Vorgänger es wohl versäumt habe, das Tiefbauamt mit der Verhandlungsvorbereitung für einen Erschließungsvertrag – mit der auch die Einholung einer verkehrsgutachterlichen Stellungnahme erforderlich gewesen wäre – zu beauftragen. Dabei bleibt geflissentlich unerwähnt, dass der damalige Baustadtrat nach der erwähnten Verfügung des Tiefbauamtes vom 10.10.2011 hierfür nur noch wenige Tage – nämlich genau bis zur Neubildung des Bezirksamtes am 27.10.2011 – Zeit gehabt hätte.

Wenn man sich dies aber vor Augen führt, stellt sich dann vielmehr die Frage, warum der jetzige Baustadtrat, der seit Ende 2011 im Amt ist, nicht selbst diesen Auftrag erteilt hat. Unverständlich bleibt dann ferner, weshalb die Fragestellung nicht anlässlich der Klageerhebung durch Lorac am 6. Juni 2012 wieder aufgegriffen worden ist. Hier ist die Chance verspielt worden, im Verwaltungsprozess – nach Einholung entsprechender Expertise – substantiiert zum Verkehrsaufkommen und zur Verkehrsableitung Stellung zu nehmen:
So wendet sich die „Haltet-den-Dieb“-Attitüde des jetzigen Baustadtrats bei näherem Hinsehen gegen ihn selbst.

Einen Aspekt hat der Baustadtrat bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage ganz weggelassen:
Dem Tiefbauamt ging es in seiner Verfügung vom 10.10.2011 nicht darum, Privatstraßen auf dem Gelände zu präferieren. Es macht vielmehr darauf aufmerksam, dass keine Haushaltsmittel für die Folgekosten von öffentlichem Straßenland verfügbar sind (S. 1 der Verfügung):

„Die Übernahme der projektierten inneren Erschließungsstraßen in das Fachvermögen des Tiefbau- und Landschaftsplanungsamtes und eine Widmung dieser Flächen als öffentliche Straßen kann wegen der damit verbundenen erheblichen künftigen Lasten (öffentliche Beleuchtung, Straßenentwässerung, Unterhaltung usw.) in der derzeitigen Haushaltsnotlage Berlins, die sich vermutlich in naher Zukunft auch nicht ändert, nicht befürwortet werden.“

Das Tiefbauamt spricht damit ein „K.O.“-Kriterium“ an. Auch dieser Aspekt hätte dem Bezirk bei seinen schriftlichen und mündlichen Einlassungen im Verwaltungsgerichtsverfahren nicht abhandenkommen dürfen.

Nach alledem dürfte es an Stoff für weitere Akte in dieser Groteske nicht mangeln.

 


Bäume oder Beton?

Unter diesem Motto rufen der Kleingärtnerverein Oeynhausen  und die Bürgerinitiative Oeynhausen retten alle Menschen auf, sich am 14. November ab 14 Uhr der Demo anzuschließen. Besucht werden sollen Baustadtrat Marc Schulte am Fehrbelliner Platz 4, Stadtentwicklungssenator Michael Müller am Fehrbelliner Platz 1, und Baulöwe Klaus Groth am Kurfürstendamm 50.

Der Bürger-Entscheid mit 85.000 Stimmen für den Erhalt der Kolonie wird von der Verwaltung weiterhin ignoriert. Wecken wir sie auf! Kommt, seid laut, seid wütend!

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Siedlung Westend

Mitte der 50er Jahre wurde in Westend, zwischen Heerstraße und Olympiastadion, für Soldaten der britischen Schutzmacht eine Siedlung aus 2stöckigen Reihenhäusern gebaut. Nach dem Abzug der Briten kam die Siedlung 1995 – mit 212 Wohnungen – zur Eisenbahn-Siedlungsgesellschaft, die wiederum 2007 von der Deutsche Wohnen AG übernommen wurde. Die Wohnungen wurden auf dem freien Markt vermietet, dabei wurden dem Zustand entsprechend relativ geringe Kaltmieten gefordert, aber auch überdurchschnittlich hohe Nebenkosten, insbesondere bei der Beheizung.

Die nun fast 60 Jahre alten Gebäude wurden nicht immer pfleglich behandelt, was dazu geführt hat, daß die Haustechnik, aber auch die Grundsubstanz der Gebäude heute in einem ziemlich desolaten Zustand sind. Eine Sanierung und Modernisierung auf den heute üblichen Standard würde sehr aufwändig und teuer werden. Die Deutsche Wohnen AG hat sich deshalb entschlossen, die vorhandenen Gebäude abzureißen und durch moderne, energie-effiziente (und schöne) Neubauten zu ersetzen und dabei die Anzahl der Wohnungen auf etwa 550 zu erhöhen.

2013 wurde ein Einladungs-Wettbewerb zur Gestaltung der Siedlung ausgelobt, den das dänische Büro tegnestuen vandkunsten gewonnen hat. Ich war als Gast bei der Preisgerichts-Sitzung anwesend und kann sagen, daß von den vorgestellten 7 Entwürfen der von tegnestien vandkunsten der war, der mir am besten gefallen hat, u.A. weil die Neubauten hauptsächlich auf den Grundflächen der Bestandsbauten stehen sollen. Dadurch kann der sehr schöne, alte Baumbestand auf dem Gelände fast komplett bestehen bleiben. Der Entwurf sieht zudem vor, daß die Neubauten unterschiedliche Fassadengestaltungen und Grundrisse bekommen, so daß zum Einen eine eindeutige optische Adresse für jedes Haus entsteht und zum Anderen die Wohnungen individueller werden. Der Altbestand hat 3- und 4-Zimmer-Wohnungen entsprechend den Bedürfnissen der ursprünglichen Bewohner. Der Entwurf sieht dagegen Wohnungsgrößen von 1 bis 5 Zimmern sowie Einfamilienhäuser vor. Daneben soll ein „Nahversorgungszentrum“ mit Geschäften, Arztpraxen etc. entstehen, was heute gar nicht vorhanden ist.

Die Deutsche Wohnen AG ist meinem Eindruck nach kein Unternehmen, daß nur auf Profit aus ist – man nimmt es dort u.A. mit dem Erhalt von wertvollen Gebäuden sehr ernst, auch weil man Eigentümer von Weltkulturerbe ist. Über den Umgang mit diesem und den Bewohnern habe ich in den letzten Jahren eigentlich nur gutes gehört. Um so mehr war ich erstaunt, daß wir Bezirksverordnete über die Pläne für die Siedlung Westend im vergangenen Jahr zum Stillschweigen verdonnert wurden. Natürlich ließ es sich nicht verheimlichen, daß es Pläne für die Siedlung gab – die Wettbewerbs-Teilnehmer sind ja zwecks Maß- und Bestandsaufnahme durch die Siedlung gelaufen – und es gab schon 2013 Anfragen besorgter Mieter_innen bei uns, ob wir wüßten, was da vor sich geht. Nach dem Wettbewerb hat sich die Deutsche Wohnen AG dann entschlossen, in einer (nichtöffentlichen) Mieterversammlung die Pläne vorzustellen, und dazu auch eine Webseite geschaltet, deren Informationsgehalt allerdings – na, sagen wir mal, immer noch verbesserungsfähig ist.

Die SPD-Abteilung Neu-Westend, geographisch zuständig, hatte nun für den 14.10.2014 zu einer Informationsveranstaltung in die Aula der Charles-Dickens-Grundschule eingeladen – diesmal öffentlich. Auf dem Podium: Heike Schmitt-Schmelz, Marc Schulte und Robert Drewnicki von der SPD sowie Manuela Damianakis, Leiterin Unternehmenskommunikation bei der Deutsche Wohnen AG. Anlaß war der Antrag DS-Nr. 0968/4 der Fraktion Bündis 90/Die Grünen aus dem Juni 2014, der seitdem aber in wohl intensiven Gesprächen in der Zählgemeinschaft einen anderen Inhalt bekommen hat (hier der Ursprungstext). Während der Ursprungstext nur die Schaffung von preiswertem Wohnraum (mit Bezug auf den Beschluß der BVV, DS-Nr. 0475/4), das zur Verfügung stellen von gleichwertigem Wohnraum für die Bestandsmieter_innen „zum gleichen Mietpreis (Nettokaltmiete)“ und eine angemessene Beteiligung am Planungs- und Bauprozess fordert, geht der Ersetzungsantrag wesentlich weiter. Gefordert wird nun

  • die umfassende Einbeziehung der Mieterinnen und Mieter in die Planungen
  • ausführliche Informationen durch den Investor darüber, warum eine Modernisierung gegenüber dem Neubau nicht vertretbar ist
  • die Darlegung der Gründe, warum eine Integration der Bestandsbauten verworfen wurde
  • eine umfassende Berichterstattung (des Investors, wie Heike anmerkte) darüber, wie mit den Bestandsmieter_innen umgegangen wird
  • das Zurverfügungstellen von mindestens gleichwertigem Wohnraum zur gleichen Mietgesamtbelastung während und nach der Baumaßnahme
  • die Übernahme der Umzugs- bzw. Umsetzkosten durch den Investor
  • im B-Plan-Verfahren die Sicherstellung von preiswertem Wohnraum
  • die Festschreibung der angekündigten Nachhaltigkeit

Das ist in etwa das, was die Deutsche Wohnen AG bislang als „selbstverständlich“ angesagt hatte – bis auf die Übernahme der Umzugskosten, hier ist derzeit von „750 bis 1000 €“ die Rede. Wie die Deutsche Wohnen AG sich das vorstellt, kann man hier nachlesen.

Das Thema wird uns in der BVV noch eine ganze Weile beschäftigen. Allein der notwendige Bebauungsplan wird mindestens 18 Monate bis zur Festsetzungsreife benötigen. Wenn der Antrag in seiner letzten Fassung angenommen werden sollte – wovon ich ausgehe -, wird dann eine gründliche Analyse notwendig sein, um feststellen zu können, ob die BVV den B-Plan auch zustimmen kann. Möglicherweise gibt es dann auch eine andere Zusammensetzung der BVV: im Herbst 2016 sind die nächsten Wahlen geplant.

Die Deutsche Wohnen AG ist m.M.n. gut beraten, ihre Mieter_innen in der Siedlung Westend in Zukunft immer ausführlich über Planungsstand und Fortschritt des Verfahrens zu informieren.

Ich selbst bin in der Sache ein wenig gespalten. Einerseits ist da ein ziemlich ehrgeiziger, aber auch sehr guter Plan, der aus einer unspektakulären Siedlung ein Vorzeige-Objekt machen kann. Bein Preisgericht stand ich vor den Plänen und sagte nur „Wow“.
Andererseits gibt es Irritationen über die Informations- und Beteiligungs-Strategie des Investors, die ich so nicht erwartet habe, und wohl daraus resultierend den Antrag der Zählgemeinschaft, der dem Investor jetzt Steine in den Weg legen wird. Ich wünsche mir, daß die Pläne von tegnestien vandkunsten möglichst genau umgesetzt werden, und dabei die betroffenen Mieter_innen umfassend eingebunden werden.


Noch eine Dreistigkeit

Nach Hinweisen von und Gesprächen mit meinen juristischen Beratern komme ich zu dem Schluß, daß Baustadtrat Marc Schulte in der Sonder-BVV am 04.08.2014 noch eine ziemlich dreiste Ansage gemacht hat:

Marc Schulte hat in der BVV am 4. August zum Besten gegeben, dass er Carsten Engelmann (CDU) eine Vertagung der Beanstandung angeboten habe. Damit habe er den BA-Vertretern der CDU und der Grünen Gelegenheit geben wollen, die Beanstandungsbeschlussvorlage bei der nächsten Sitzung, in der sie zusammen wieder die Mehrheit im Bezirksamt hätten, zurückzuweisen. Hierauf sei Herr Engelmann nicht angesprungen, was er (Schulte) nur als inkonsequentes oder taktisches Verhalten deuten könne.

Diese Einlassung, sofern das denn wirklich so gewesen ist, halte ich für infam:
Marc Schulte hat seinen Kollegen im Bezirksamt mit dem Angebot einer Vertagung der Entscheidung über die Beanstandung eine Falle stellen wollen. Hätte man die Beanstandung vertagt und hätte das Bezirksamt dann beim nächsten Termin die SPD-Stadträte überstimmt und eine Beanstandung des BVV-Beschlusses abgelehnt, hätte Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann dann diesen Bezirksamts-Beschluss später von sich aus – gegründet auf § 39 Abs. 4 BezVG beanstandet. Diesen Beschluss hätte dann wiederum das Bezirksamt mit Mehrheit der CDU-/Grünen-Stadträte seinerseits beanstanden und den Innensenator anrufen müssen. Dessen Entscheidung wäre dann abzuwarten gewesen und die BVV am 4. August wäre hinfällig geworden. Damit wäre das Heft des Handelns der BVV entzogen; die BVV müsste – anders als jetzt – nicht einmal von der Bezirksaufsicht beim Senator für Inneres und Sport im Verfahren angehört werden.

Diese Hinterlist hat Arne Herz (CDU) am 4. August in seiner Erwiderung auf Schulte angedeutet. Schwach war allerdings, dass die CDU-Stadträte Dagmar König und Carsten Engelmann hier nicht selbst entsprechend reagiert haben; aber: Zumindest im Ergebnis hat sich Carsten Engelmann in der Bezirksamtssitzung richtig verhalten.

Solche taktischen „Spielchen“ sind der Sache nicht dienlich und einem ordentlich arbeitendem Bezirksamt unwürdig. Ich hoffe, daß der Eindruck, der hier in meinem Beraterkreis entstanden ist, täuscht.


Dumm oder dreist?

Das Bezirksamt hat ja den Beschluß der BVV beanstandet, für das Gelände der Kolonie Oeynhausen eine Veränderungssperre zu erlassen.

Begründet wird die Beanstandung unter anderem damit, daß eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB nicht erlassen werden könnte, weil

Das  Bezirksamt  nach  dem  gegenwärtigen  Stand  des  Planungsverfahrens  und  dem  jahrelangen  Vorlauf  der  Angelegenheit  seit  dem  Jahr
2011  davon  ausgehen muss,  dass  die  Planung  gemäß des  Planentwurfs  IX  205a  endgültig  nicht  festsetzbar  ist,  da  dies  Entschädigungsforderungen  der Grundstückseigentümerin  in  unbestimmter  EuroMillionenhöhe  nach  sich  ziehen  würde.

Statt dessen möchte das Bezirksamt den § 15 BauGB nutzen, um die Kolonie zu retten:

Durch  Beschluss  der  Bezirksverordnetenversammlung  vom  19.  Juni  2014  und  des  Bezirksamtes  vom  1.  Juli  2014  [TOP  7a  (Vorlage  Nr. 210  z.  B)]  besteht  bereits  eine  gesicherte  Rechtslage  zur  grundlegenden  Interessensicherung,  nach der  das  Bezirksamt  dazu  verpflichtet  ist,  dass  es, sollten  solche  Anträge  tatsächlich  gestellt  werden,
hierauf  unmittelbar  mit  einer  Zurückstellung  nach  § 15  BauGB  zu  reagieren  hat.

Diese Argumentation ist m.E.n. entweder dumm oder dreist.

Dumm wäre sie, wenn das BA und die ihm zuarbeitenden Mitarbeiter_innen nicht erkannt hätten, daß § 15 BauGB keine Alternative zu § 14 BauGB ist, sondern eine Ergänzung.  Eine Veränderungssperre ist immer als Satzung der Gemeinde zu erlassen. In Berlin bedeutet das, daß das BA und die BVV eine Veränderungssperre beschließen müssen, das BA darüber Einvernehmen bei der zuständigen Senatsverwaltung herstellen und die Veränderungssperre im Gesetzblatt veröffentlicht werden muß. All dies benötigt Zeit, und für den Fall, daß in dieser Zeit ein Baugesuch oder Bauantrag eingereicht wird, der der Planung der Gemeinde widerspricht, kann dem mit einer Zurückstellung begegnet werden.

Daraus folgt, daß für eine Zurückstellung die selben Voraussetzungen gelten wie für eine Veränderungssperre, so Mischung in Battis: Baugesetzbuch, 12. Auflage, Rn 2 zu § 15.

Das BA behauptet nun, daß die Veränderungssperre nicht möglich ist, weil der B-Plan nicht festsetzbar ist. Daß damit aber auch keine Zurückstellung möglich ist, wird übersehen. Das nenne ich dumm.

Dreist wäre die Argumentation des BA, wenn es folgendes Szenario ins Kalkül ziehen würde (was ich ihm durchaus zutraue):

  • Lorac schickt einen Bauantrag
  • BA antwortet: ist nicht, wir machen Zurückstellung
  • Lorac sagt danke und klagt
  • Das VG fragt im Verfahren das BA: soso, Zurückstellung, schön, schön. Wie weit ist denn die Veränderungssperre? Ach, ihr macht keine? Warum nicht? ach, der B-Plan ist nicht festsetzbar?

Das Ergebnis eines solchen Vorgehens ist dann klar: dem Bauantrag ist zuzustimmen, die Kolonie ist perdu. Das nenne ich dreist, weil durch die Argumentation des BA den Mitgliedern der BVV, aber auch der Öffentlichkeit suggeriert wird, daß mit dem (untauglichen) Mittel der Zurückstellung die Probleme gelöst werden könnten. Für das BA wäre das natürlich eine elegante Lösung, denn es könnte sagen: wir haben es versucht. Den Zusammenhang zwischen Zurückstellung und Veränderungssperre – sorry, das haben wir übersehen.

 

 


Eine Beanstandung

Eine Beanstandung eines BVV-Beschlusses durch das Bezirksamt habe ich noch nicht erlebt. In anderen Bezirken mag es das des öfteren geben, aber hier bei uns im beschaulichen CharlWilm?

Und doch, unser BA hat am 15. Juli 2014 beschlossen,

den Beschluss der BVV vom 8. Juli 2014 über die Rechtsverordnung zur Festsetzung einer Veränderungssperre IX 205a (BVV Ds-Nr. 0988/4 – TOP 2 der BVV vom 8. Juli 2014) gemäß § 18 Satz 1 Bezirksverwal­tungsgesetz (BezVG) zu beanstanden.

Nun ja – aus Sicht der SPD-Mitglieder im BA (eine Grüne und ein CDU-Stadtrat waren zum Zeitpunkt des Beschlusses urlaubsbedingt abwesend) kann ich das ja sogar fast verstehen: man will halt unbedingt, daß gebaut wird, um einen Schadensersatz („Die Höhe ist nicht bekannt, liegt aber über einer Million Euro“ – Heike Schmitt-Schmelz) zu vermeiden, hat aber bisher keine Möglichkeit gefunden, das ordentlich zu verkaufen.

Bei der Durchsicht der Begründung dieses BA-Beschlusses sind mir aber Zweifel gekommen, ob dort (bzw. bei den Zuarbeiter_innen) tatsächlich begriffen wurde, was eine Veränderungssperre in diesem Fall bedeutet. Ich habe zusammen mit meinen Rechtsberatern mal den Text auseinandergenommen und kommentiert:

Bezirksamtstext Kommentar
(Textabschnitt 1)
Der Beschluss der BVV vom 8. Juli 2014 über die Rechtsverordnung zur Festsetzung einer Veränderungssperre IX 205a ist zu beanstanden, da er gegen eine Rechtsvorschrift verstößt (§ 18 Satz 1 BezVG). Die Festsetzung einer Veränderungssperre ist mit § 14 BauGB nicht vereinbar und rechtswidrig, denn der Bebauungsplan IX 205a ist derzeit nicht festsetzungsfähig.
(Textabschnitt 2) (zu Textabschnitt 2)
Eine Veränderungssperre dient der Sicherung der Bauleitplanung. Voraussetzung einer Festsetzung der RVO ist ein Sicherungsbedürfnis,
das tatsächliche Erfordernis zu seinem Erlass. Ein solches besteht nicht, wenn feststeht, dass eine Planung mit großer Wahrscheinlichkeit
endgültig nicht festsetzbar ist. Das Bezirksamt muss nach dem gegenwärtigen Stand des Planungsverfahrens und dem jahrelangen Vorlauf der Angelegenheit seit dem Jahr 2011 davon ausgehen, dass die Planung gemäß des Planentwurfs IX 205a endgültig nicht festsetzbar ist, da dies Entschädigungsforderungen der Grundstückseigentümerin in unbestimmter EuroMillionenhöhe nach sich ziehen würde. Eine Finanzierung von Entschädigungsansprüchen aus öffentlichen Mitteln ist nicht möglich. Haushaltsmittel für die Entschädigung stehen nicht zur Verfügung und werden auch nach aktueller Aussage nicht zur Verfügung gestellt
Ein Sicherungsbedürfnis für einen Bebauungsplan besteht nicht, wenn feststeht, dass dieser nicht umsetzbar ist. Dies ist hier nicht der Fall:
– Der Bezirk steht weiter zur Grünflächenausweisung. Dies ist erklärtes Ziel des Bezirksamtes und der Bezirksverordnetenversammlung – BVV – (s. insbesondere DS 0342/4, 0662/4, 0826/4, 0969/4 sowie den beanstandeten Beschluss zu 0988/4).
– Ob haushalterische Hindernisse bestehen, muss erst noch festgestellt werden. Hierzu ist das Gutachten von Professor Finkelnburg vom 16.6.2014 zu den Kriterien der konkreten Ermittlung einer Entschädigung eingeholt worden. Auf dieser Basis soll nun durch ein Grundstückswertgutachten festgestellt werden, ob eine Entschädigung bei Erlass des BPlans IX-205a anfällt und – ggf. – in welcher Höhe.
Erst mit dem Ergebnis dieses Gutachtens wird es möglich, eine entsprechende Ausgabe bzw. Verpflichtungsermächtigung zum nächsten Landeshaushalt anzumelden. Solange das Abgeordnetenhaus als Budgetgeber hierüber nicht entschieden hat (Haushaltsfestsetzung: voraussichtlich Dezember 2015), ist es falsch, davon auszugehen, dass der BPlan nicht festsetzbar ist. Hierzu führt Professor Finkelnburg in seinem Gutachten vom 16.6.2014 aus (unter C.IV.3 auf S. 13):
Da Veränderungssperre und Zurückstellung der Sicherung der Planung dienen, darf von ihnen nicht mehr Gebrauch gemacht werden, wenn feststeht, dass der Bebauungsplan IX-205a nicht festgesetzt wird. Dies wäre der Fall, falls Abgeordnetenhaus und Finanz-senator endgültig die für die Entschädigung erforderlichen Mittel versagen.
Die Veränderungssperre dient dazu, den Erlass des BPlans zu sichern, das heißt hier, im Aufstellungs- und Festsetzungsverfahren zum Haushalt 2016/2017 alle Möglichkeiten auszuschöpfen, ein etwaiges Risiko zu decken. Mit diesen Bemühungen kann der Bezirk nun starten, sobald das Grundstückswertgutachten vorliegt.
(Textabschnitt 3) (zu Textabschnitt 3)
Zudem gibt es aktuell überhaupt kein materiellrechtliches Erfordernis zum Erlass der RVO, die laut Antragsbegründung deshalb erlassen werden soll, um grundsätzlich zukünftigen Baugesuchen der Grundstückseigentümerin
entgegen treten zu können. Ein solches Sicherungsbedürfnis in Form des Erlasses einer Veränderungssperre gibt es aber nicht. Durch Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung vom 19. Juni 2014 und des Bezirksamtes vom 1. Juli 2014 [TOP 7a (Vorlage Nr. 210 z. B)] besteht bereits eine gesicherte Rechtslage zur grundlegenden Interessensicherung, nach der das Bezirksamt dazu verpflichtet ist, dass es, sollten solche Anträge tatsächlich gestellt werden, hierauf unmittelbar mit einer Zurückstellung nach § 15 BauGB zu reagieren hat. Es können mithin auf Grundlage dieser beiden Beschlusslagen überhaupt keine Baurechte entstehen.
Diese Beschlusslage stellt sich gegenüber der nunmehr zu beanstandenden Beschlusslage im Kontext des Art. 14 Abs. 1 als das eindeutig mildere und verhältnismäßigere Mittel dar, da es nicht unmittelbar in die  Grundrechtsposition der Eigentümerin eingreift, sondern erst dann, wenn
tatsächlich entsprechende Aktivitäten zu verzeichnen wären. Dagegen würde der Erlass der Veränderungssperre unmittelbar in die Grundrechtsposition der Eigentümerin eingreifen, ohne dass es einen aktuellen Anlass gibt, der dies zu rechtfertigen vermag.
Die Kriterien für den Erlass einer Veränderungssperre bestimmt § 14 BauGB. Danach dient die Veränderungssperre der Sicherung der Bebauungsplanung.
Dem Erlass des BPlans steht derzeit entgegen, dass noch nicht feststeht, ob haushalterische Vorkehrungen für den Erlass des BPlans zu treffen sind. Sollte das Grundstückswertgutachten ein bezifferbares Entschädigungsrisiko ergeben, sind die Bemühungen aufzunehmen, dieses Risiko in die Haushaltsplanung einzubringen. Gerade für Fälle dieser Art – also Fälle, in denen noch die Klärung einer Erlassvoraussetzung aussteht – bietet das BauGB das Planungssicherungsinstrument der Veränderungssperre.
Mit Blick auf den Umstand, dass ein Ergebnis der Bemühungen zu haushalterischer Deckung nicht vor Dezember 2015 (2. Lesung des
Haushalts 2016/2017 und Verabschiedung des Haushaltsgesetzes) vorliegen wird, bietet das in seiner Wirkungsdauer begrenzte Instrument der Zurückstellung eines Baugesuchs (§ 15 BauGB)
hier keine ausreichende Sicherung der Planziele, so dass sich die Frage einer Konkurrenz zur Veränderungssperre nicht stellt. Notwendig ist vielmehr eine mit Erlass einer Veränderungssperre verbundene Suspendierung der bauplanungsrechtlichen Situation.
Für den Eigentümer ergibt sich hieraus keine Benachteiligung: Sollte sich herausstellen, dass das Parlament das Entschädigungsrisiko nicht im Haushalt veranschlagt, ist die Veränderungssperre aufzuheben. Dies hat Professor Finkelnburg in seinem Gutachten vom 16.6.2014 wie folgt hervorgehoben (a.a.O., S. 13: “Würde eine Veränderungssperre erlassen oder aufrecht erhalten, sobald der Sicherungszweck weggefallen ist, weil feststeht, dass der Bebauungsplan nicht mehr festgesetzt wird,
muss die Veränderungssperre aufgehoben werden.
Die Annahme des Bezirksamts, die Sicherungsinstrumente der Veränderungssperre und der Zurückstellung von Baugesuchen hätten eine unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit zu würdigende unterschiedliche Eingriffstiefe, findet im BauGB keine Bestätigung: Die Zurückstellung kann nur ausgesprochen
werden, wenn die Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre vorliegen, diese aber noch nicht beschlossen ist oder zwar beschlossen, aber noch nicht förmlich in Kraft gesetzt ist (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Insofern dient die Zurückstellung der Verhängung einer Veränderungssperre und steht damit schon wesensgemäß nicht zu ihr in Konkurrenz.
(Textabschnitt 4) (zu Textabschnitt 4)
Für die von der BVV beschlossene zeitliche Planungsperspektive (Auflösung des Entschädigungsrisikos und Vorlage eines Planentwurfes zur Beschlussfassung bis zum 30. November 2014) stellt sich die Anwendung eines grundsätzlich zwei Jahre wirkenden Sicherungsinstruments sowieso als evident nicht erforderlich dar, da mit der Zurückstellung nach § 15 BauGB ein gleichermaßen geeignetes, aber in das Grundrecht der Eigentumsfreiheit geringer eingreifendes Mittel zur Verfügung stünde und steht. Die Festsetzung einer nicht erforderlichen und daher unverhältnismäßigen Veränderungssperre wäre rechtswidrig. Das gilt umso mehr, als das
Verwaltungsverfahren betreffend den Erlass eines Bauvorbescheides nahe legt, dass die Grundstückseigentümerin in der Vergangenheit bereits von den Wirkungen einer sog. faktischen Veränderungssperre und damit von Eingriffen in ihr Eigentum betroffen war (siehe unten).
Das Bezirksamt stellt die von der BVV beabsichtigte Vorgehensweise missverständlich dar. Die BVV will erreichen, dass Ihr bis zum 30.11.2014 eine vollständige Beschlussvorlage, in der ein mögliches Entschädigungsrisiko ebenso wie dessen Auflösung angesprochen werden, vorgelegt wird. Dabei ist ihre Vorgabe zu beachten, dass Mittel des Bezirks nicht noch zusätzlich zur Risikodeckung eingesetzt werden.Eine Risikodeckung kann und darf also nur über eine zusätzliche Ausgabenveranschlagung ohne gleichzeitige Ausgleichspflicht des Bezirks erreicht werden. Entsprechende Veranschlagungswünsche sind deshalb im Rahmen des Haushaltsaufstellungsverfahrens für den Landeshaushalt 2016/2017 zu Beginn des Jahres 2015 einzubringen. Letztlich entscheidet das Abgeordnetenhaus bei der Festsetzung des Haushalts (voraussichtlich Dezember 2015). Bis dahin kommt eine förmliche Festsetzung des fertig erstellten BPlanentwurfs nicht in Betracht.
Dazu, dass sich die hier erneut vom Bezirksamt angesprochene Frage der Verhältnismäßigkeit bei den Instrumenten der Veränderungssperre und der Zurückstellung von Baugesuchen nicht stellt, s. die Ausführungen in den letzten beiden Absätzen des „Textabschnitts 3“.
 (Textabschnitt 5) (zu Textabschnitt 5)
Der zu beanstandende Beschluss der BVV bestätigt ausdrücklich, dass öffentliche Mittel nicht bereit gestellt werden für Entschädigungszahlungen.
Entschädigungsforderungen richten sich qua Gesetzes aber unmittelbar an die planende Gemeinde, mithin an das Land Berlin. Mit der in der Beschlussfassung ausdrücklich enthaltene Maßgabe, dass öffentliche Mittel nicht bereit gestellt werden, kann eine Festsetzung der Planung nicht realisiert werden. Eine nicht festsetzbare Planung darf jedoch nicht durch eine Veränderungssperre gesichert werden.
Der Beschluss wird des Weiteren dahin fehlinterpretiert, dass die BVV generell einen Einsatz öffentlicher Mittel zur Deckung eines Entschädigungsrisikos ablehnt.
Die BVV macht vielmehr ausdrücklich deutlich, dass sie eine zusätzliche Belastung des Bezirkshaushalts ablehnt. Zu verfolgen ist deshalb eine Risikovorsorge, die den Bezirkshaushalt per Saldo nicht belastet (etwa: Aufstockung ohne Ausgleichspflicht).
 (Textabschnitt 6)  (zu Textabschnitt 6)
In der Begründung des Antrags zum Erlass einer Veränderungssperre heißt es wörtlich:
„Es muss aber jederzeit mit der Einreichung eines (erneuten) Bauantrags oder mit der Anzeige eines Bauvorhabens im Genehmigungsfreistellungsverfahren (§ 63 BauO Bln) gerechnet werden. Würde das Grundstück gemäß dem geltenden Planungsrecht mit Wohnhäusern bebaut werden, wäre die Festsetzung des Bebauungsplans IX-205a mit dem vorgesehenen Planinhalt hinfällig.“
Es wird also bezüglich der Erforderlichkeit auf den Zeitpunkt abgestellt, zu dem „neue“ Anträge auf Bauvollzug (z. B. der Baugenehmigungsantrag) gestellt werden. Für die Rechtskonstellation liegt jedoch bereits eine Beschlusslage beider bezirklichen Gremien vor (siehe oben), die dies rechtsinhaltlich vollkommen abdeckt, jedoch situationsgebunden und damit verhältnismäßiger auf die Grundrechtsposition des Art. 14 GG einwirkt als nunmehr gewollt.
Die Annahme, eine Veränderungssperre erübrige sich mit Blick auf die beschlossene Zurückstellung eines Baugesuchs und sei im übrigen verhältnismäßiger als die Verhängung einer Veränderungssperre, verkennt die Systematik der Sicherungsinstrumente insbesondere den dienenden Charakter der Zurückstellung; dazu eingehender: oben zu „Textabschnitt 3“.
 (Textabschnitt 7)  (zu Textabschnitt 7)
Weiter heißt es in der Antragstellung zum Erfordernis des Erlasses der Veränderungssperre zum jetzigen Zeitpunkt in „präventiver“ Form: „Aus diesem Grunde soll zur Absicherung der noch ausstehenden Planungsschritte eine Veränderungssperre für das gesamte Plangebiet erlassen werden, um dem Bezirksamt die erforderliche Zeit zu verschaffen, dem Ersuchen der Bürgerschaft nachzukommen und den Bebauungsplanentwurf zur Festsetzung zu bringen. Wegen der bevorstehenden Sommerpause, in der die Reaktionsmöglichkeiten der Verwaltung und der BVV auf ein eventuelles Baugesuch eingeschränkt sind, soll die Festsetzung der Veränderungssperre noch in der letzten Sitzung vor der Sommerpause unmittelbar beschlossen werden.“
Dieser Passus soll – vermeintlich – das Erfordernis des Erlasses der Veränderungssperre begründen.
Hierzu ist festzustellen, dass es keine ausstehenden Planungsschritte mehr gibt; die öffentliche Auslegung des Bebauungsplanentwurfs IX-205a fand bereits vor geraumer Zeit statt; die BVV und das Bezirksamt können insoweit jederzeit zur Festsetzung des Plans schreiten, wenn sie denn wollen und können. Diese Aussage des ersten Satzes entbehrt daher im Rechtsbezug jeglicher Grundlage.
Im zweiten Satz wird sodann darauf abgestellt, dass es wahrscheinlich sei, dass die Bauverwaltung in der Sommerzeit/Ferienzeit so „dahindämmert“, dass zu befürchten sei, dass sie es nicht schaffen würde, nach der bisherigen Beschlusslage überhaupt bzw. rechtzeitig eine Zurückstellung nach § 15 BauGB auf den Weg zu bringen, sollten dort entsprechende Anträge zur „Kolonie Oeynhausen“ eingehen. Das ist eine abwegige Begründung für den Erlass einer Veränderungssperre, da überhaupt nicht städtebaulicher Natur, sondern rein spekulativ auf andere Sachzusammenhänge bezogen. Im Übrigen wäre es für die Verwaltung ein Leichtes, einen solchen Zurückstellungsbescheid in Form eines Verwaltungsaktes zu fertigen und auf den Weg zu bringen; es wäre nicht das erste Mal. Es stellt sich auch nicht so dar, dass die Exekutivverwaltung, tritt denn die benannte Sommerpause und die Ferienzeit ein, in einer Art „Dauerschlaf“ verweilt und nichts mehr „auf die Reihe“ bekommt.
Dieser Antrags-Begründungstext zum Erlass einer „präventiven“ Veränderungssperre wird insoweit überhaupt nicht den rechtsstaatlichen Grundsätzen gerecht, die an die Erforderlichkeit einer solchen RVO zu stellen sind, mit der unmittelbar in Art. 14 Abs. 1 GG eingegriffen werden soll.
Das Bezirksamt unterstellt, dass der Erlass einer Veränderungssperre vor Stellung eines Baugesuchs „präventiv“ und damit unzulässig sei.
Hier verkennt das Bezirksamt die Voraussetzungen für eine Veränderungssperre ebenso wie die generellen Voraussetzungen für den Erlass einer RVO.
Mit Fragen dieser Art hat sich die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eingehend im Rundschreiben vom 17. April 1989 auseinandergesetzt (SenBauWohn III A 3 – 6150/3/2). Sie führt hierzu aus:
Sind Anträge, die der beabsichtigten Planung zuwiderlaufen würden, mit Sicherheit zu erwarten, dann ist ebenfalls eine Veränderungssperre zu beantragen; eine rein vorsorgliche  Veränderungssperre ist aber nicht zulässig.
Damit wird zum einen dem allgemeinen Grundsatz Rechnung getragen, dass Gesetze und Rechtsverordnungen nur erlassen werden sollen, wenn dies auch tatsächlich erforderlich erscheint. Zum anderen wird – bezogen auf die Sicherung der Bauleitplanung – festgestellt, dass der Erlass einer Veränderungssperre immer dann erforderlich ist, wenn Baugesuche mit Sicherheit zu erwarten sind.
Dass ein Baugesuch zu erwarten ist, lässt sich hier dem Verhalten der Eigentümerin deutlich und vielfältig entnehmen:

  • Den mit dem Anerbieten zur Erschließung gestellten Bauvoranfragen vom 1.2.2011 folgte die Klage auf Bauvorbescheid vom 6.6.2012.
  • Dieses Verfahren wurde auf Antrag der Eigentümerin wieder fortgeführt, nachdem der Bezirk sich am 15.8.2013 endgültig gegen die zwischenzeitlich verhandelte Variante einer Teilbebauung entschieden hatte.
  • Ferner hat sich der Eigentümervertreter in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht im Verfahren auf Bauvorbescheid am 9.5.2014 deutlich dahin erklärt, dass an der Vervollständigung eines Baugesuchs gearbeitet werde und dies in wenigen Wochen vorliegen könne.

Damit liegen auch nach den Vorgaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Voraussetzungen für die umgehende Verhängung einer Veränderungssperre vor.

Im Übrigen vermeidet die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in diesem Zusammenhang den Begriff der Prävention. Damit trägt sie dem Wesensgehalt der Sicherungsinstrumente der §§ 14 und 15 BauGB Rechnung:
Unter dem Allgemeinwohlaspekt der Planungshoheit der Gemeinden gibt der Gesetzgeber den Gemeinden Instrumente, die sie zur Sicherung ihrer Planung – also per definitionem: präventiv -einzusetzen haben. Die Anmerkung des Bezirksamts, dass es „keine ausstehenden Planungsschritte mehr“ gäbe, greift zu kurz: Die noch erforderlichen Planungsschritte schließen die Feststellung eines Entschädigungsrisikos und dessen Deckungskonzeption ein.

 (Textabschnitt 8) (zu Textabschnitt 8)
Auch wird in der Antragsbegründung zum Erlass der Veränderungssperre überhaupt nicht auf das Haushaltsrisiko eingegangen, dass mit dem Erlass einer rechtswidrigen oder gar unwirksamen RVO verbunden wäre, die unmittelbar in die Grundrechtsposition des Art. 14 Abs. 1 GG eingreift. Der einzige Hinderungsgrund für den Erlass eines Grünflächen-BPlans ist der Umstand, dass noch nicht feststeht, ob und – ggf – in welcher Höhe ein Entschädigungsrisiko besteht und in die Haushaltsplanung des Landes eingestellt werden kann. Hierzu hat sich Professor Finkelnburg hinreichend deutlich geäußert (Gutachten vom 16.6.2014, C.IV.3., S. 13):
Da Veränderungssperre und Zurückstellung der Sicherung der Planung dienen, darf von ihnen nicht mehr Gebrauch gemacht werden, wenn feststeht, dass der Bebauungsplan IX-205a nicht festgesetzt wird. Dies wäre der Fall, falls Abgeordnetenhaus und Finanzsenator endgültig die für die Entschädigung erforderlichen Mittel versagen.
Ein Defizit bezüglich der haushalterischen Darstellung ist damit nicht der Begründung zum BVV-Beschluss anzulasten, sondern vielmehr dem Beanstandungsbeschluss, der sich mit dem vom Bezirksamt selbst eingeholten Gutachten in keiner Weise auseinandersetzt.
 (Textabschnitt 9) (zu Textabschnitt 9)
Eine weitere Haushaltsbelastung dürfte darüber hinaus auch bereits darin liegen, dass die Veränderungssperre, wird sie denn in Kraft gesetzt und verkündet, zwangsläufig mit einem Normenkontrollverfahren überzogen würde, dies
mit guten Erfolgsaussichten für die Grundstückseigentümerin. Diese damit eingehenden Verfahrenskosten würden dann zusätzlich den bezirklichen Haushalt belasten.
Das Bezirksamt befürchtet, dass der Eigentümer gerichtlich gegen eine Veränderungssperre vorgehen und – mit Verfahrenskostenlast für den Bezirk – obsiegen wird. Diese Sorge erscheint befremdlich:
Jedem staatlichen Handeln ist im Rechtsstaat immanent, dass es der Betroffene gerichtlich überprüfen lassen kann.
Würde das Bezirksamt dem FinkelnburgGutachten vom 16.6.2014 folgen, müsste es sich um den Ausgang eines Normenkontrollverfahrens keine Sorgen machen.
(Textabschnitt 10) (zu Textabschnitt 10)
Auch geht die Antragsbegründung zum Erlass der RVO mit keinem Wort auf die Historie und die Rechtsabhängigkeiten der letzten 3 ½ Jahre in Bezug auf den jetzigen „ad-hoc“ Beschluss zur Veränderungssperre ein, was aber erforderlich wäre. Die Ausführungen beziehen sich offenbar auf die weiter unten behandelte „faktische“ Veränderungssperre; s. Anmerkungen „zu Textabschnitt 12“.
(Textabschnitt 11) (zu Textabschnitt 11)
Die Antragsbegründung zum Erlass der Veränderungssperre wird den rechtsstaatlichen Grundsätzen, die hieran zu stellen sind, soll eine so weitgehende Eingriffsgrundlage in die verfassungsrechtlich verankerten Rechte Privater geschaffen werden, nicht ansatzweise gerecht. Insbesondere liegt auch keine Begründung zum Erfordernis der Veränderungssperre zum jetzigen Zeitpunkt vor, die sich überhaupt aus dem BauGB ableiten ließe; ganz im Gegenteil werden für deren Erlass falsche bzw. sachwidrige Gründe angeführt. Auf die Aufzählung weiterer Defizite dieser Begründung wird an dieser Stelle verzichtet. Hier nimmt das Bezirksamt ohne nähere Spezifizierung eine Zusammenfassung seiner Wertungen vor. Neue Aspekte sind nicht erkennbar.
(Testabschnitt 12) (zu Textabschnitt 12)
Vieles spricht zudem dafür, dass im Ergebnis auch von einer sogenannten faktischen Veränderungssperre auszugehen wäre und zwar seit dem Frühjahr 2011, kommt es zu einer Verkündigung der RVO. Seit diesem Zeitraum sind mehr als 3 Jahre verstrichen. Das VG Berlin hat insoweit bezüglich des Bauplanungsrechts zum ins Bauvorbescheidsverfahren eingestellte Bauvorhaben festgestellt, dass die Antragstellerin einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Ausnahme nach § 8 Nr. 18 Satz 3 BO 58 hat. Diese Ausnahme hätte auch im Frühjahr 2011 erteilt werden müssen (die vollständigen Bauvorlagen waren am 1. März 2011 vorhanden). Weitergehende bauplanungsrechtliche Abweichungen weist das Bauvorhaben nicht auf, geht insoweit konform mit den gesetzlichen Vorgaben. Die Fragestellungen zum Bauplanungsrecht sind damit, soweit das Urteil des VG Berlin vom 9. Mai d. J. in Rechtskraft erwächst, abschließend geklärt mit den entsprechenden verfahrensrechtlichen Bindungswirkungen. Die grundlegenden Fristsetzungen des § 17 Abs. 1 BauGB wären eindeutig abgelaufen. Eine Tatbestandserfüllung des Abs. 2 der Rechtsnorm liegt nicht vor, da „besondere Umstände“ nicht vorliegen und insb. eine kommunale Beschlusslage gegeben ist, mit der nach § 15 BauGB auf neue Bauanträge etc. adäquat und insbesondere zeitnah reagiert werden könnte, wenn denn erforderlich. Der Begriff der faktischen Veränderungssperre leitet sich für gleichwertige Fälle aus dem Umstand ab, dass die Dauer einer Zurückstellung eines Baugesuchs auf die Dauer der Veränderungssperre anzurechnen ist (§ 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB).
Einen vergleichbaren Fall haben wir hier nicht:

  • – Das Erschließungsangebot von Lorac vom 1.2.2011 hat nicht den Inhalt eines Baugesuchs i.S.d. § 15 BauGB, sondern eines mit Bauvoranfragen verbundenen Erschließungsanerbietens. Die Prüfung des Anliegens konnte aufgenommen werden, nachdem die hierfür benötigten Unterlagen nachgereicht waren.
  • – Die Einschätzung der rechtlichen und planungskonformen tatsächlichen Erschließbarkeit im Rahmen der Voranfragen war Gegenstand eingehender Prüfung. Hierzu erteilte die Bauaufsicht den Architekten von Lorac am 10.5.2011 eine Zwischennachricht; die verbliebenen Fragen wurden Professor Finkelnburg zur Begutachtung gegeben. Das am 21. Juli 2011 erstellte Gutachten warf weitere Fragen auf, zu denen der Gutachter am 28.11.2011 schriftlich Stellung bezog. Ein erläuterndes Gespräch führte er am 1.2.2012 im Bezirksamt.
  • Das Bezirksamt ging auf Basis der so gewonnenen Erkenntnisse davon aus, dass eine Erschließung des Areals nicht vorliegt und auch noch nicht als gesichert gelten kann.
  • Die Eigentümerin stellte fernerhin keinen konkreten Bauantrag und zeigte auch nicht an, dass sie im genehmigungsbefreiten Verfahren bauen will. Vielmehr erhob sie am 6.6.2012 Klage auf Bescheidung ihrer Voranfragen.
  • Parallel dazu hat die Eigentümerin die Forderung eingebracht, die Hälfte der Fläche mit doppelter Bebauungsdichte zu bebauen (Stadt L, Vm vom 24.2.2012). Dieses Bebauungskonzept wurde bis zur abschließenden Ablehnung der Aufstellung eines hierzu erforderlichen vorhabenbezogenen BPlans am 15.8.2013 (DS 0662/4) verfolgt.
  • Auch nach dem 15.8.2013 hat Lorac bislang kein konkretes Baugesuch vorgelegt, sondern das Verfahren auf Erlass des Bauvorbescheids wieder aufgenommen. Dort erklärte das Bezirksamt auf Befragen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung am 9. Mai 2014, dass eine Reduzierung der Randstraßen des Areals auf die Hälfte der im Straßenraster vorgegebenen Breite eine hinreichende Erschließung des konkreten Bauvorhabens gewährleiste (VG 19 K 177.12, U.v.9.5.2014, S. 22). Diese Erklärung wurde ohne vorherige Beauftragung einer Expertise zum Verkehrsaufkommen abgegeben.Das Verwaltungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung ferner ausdrücklich auf die verschiedenen Möglichkeiten hingewiesen, eine geschlossene Bauweise ohne Öffnung des straßenseitigen Baukörpers zu realisieren. Auf Befragen des Gerichts hat das Bezirksamt erklärt, dass aus seiner Sicht städtebauliche Gründe einer Öffnung der Baukörper nicht entgegenstehen (VG, a.a.O., S. 16).
  • Lorac hat durch ihren Prozess-Vertreter darauf zwar erklärt, ein konkretes Baugesuch vorbereiten zu wollen, hat aber gleichwohl den Antrag auf Bescheidung der weiteren vier Voranfragen (zu Art der Nutzung, Maß der Nutzung, Bauweise, Erschließung) aufrecht erhalten; dieser Antrag wurde – nicht rechtskräftig -abgewiesen.

Dies vorausgeschickt liegt bis heute kein hinreichend konkretes Baugesuch vor, dessen Nichtbehandlung „faktisch“ wie eine Zurückstellung eines Baugesuchs auf die Dauer der Veränderungssperre angerechnet werden könnte.

(Textabschnitt 13)
Im Übrigen ist ergänzend darauf abzustellen, dass das Bezirksamt CharlottenburgWilmersdorf von Berlin gerade dabei ist, ein Wertermittlungsgutachten zur möglichen Höhe des Entschädigungsanspruchs erstellen zu lassen, dessen Ergebnisse vermutlich im August d. J. vorgelegt werden. Wenn wider Erwarten durch das Ergebnis des Gutachtens das bestehende Haushaltsrisiko bewältigbar erscheint, ist die Anwendung des § 15 BauGB vollkommen ausreichend, sollte kurzfristig ein Baugesuch oder ähnliches bei der Behörde eingehen.
(Textabschnitt 14) (Textabschnitt 14)
Weiterhin ist davon auszugehen, dass keine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten ist, die nunmehr die Exekutive inhaltlich dazu nötigt, eine solche „präventive“ Veränderungssperre zu erlassen. Der Bürgerbescheid zur „Kolonie Oeynhausen“ stellt eine solche Rechtsänderung nicht dar, da ihm qua Gesetzes lediglich ein Empfehlungscharakter zukommt. Letztendlich besteht weiterhin die Sach- und insb. Rechtslage des Jahres 2011. Eine „Änderung der Sach- und Rechtlage“ ist kein Kriterium für den Erlass oder Nichterlass einer Veränderungssperre.
Es ist allein erforderlich, dass sich ein BPlan in Aufstellung befindet.
Neben den bereits zitierten Äußerungen von Professor Finkelnburg fasst diesen Umstand die Kommentarliteratur wie folgt zusammen (für alle übrigen: Schlichter/Stich u.a., Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, Stand Mai 2014):
(Rdn 2 zu § 14 – Lemmel -:) „ Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Veränderungssperre lassen sich dahin zusammenfassen, dass ein Bebauungsplan in der Gestaltung begriffen sein muss. § 14 Abs. 1 nennt ausdrücklich das Stadium der Aufstellung des Bebauungsplans.“(Rdn 4 zu § 14 – Lemmel -:) „Die generellabstrakte Sicherung der Bauleitplanung erfolgt durch eine Veränderungssperre, die erlassen werden kann, ohne dass es auf einzelne Bauwünsche der Grundeigentümer ankommt.“
(Textabschnitt 15) (zu Textabschnitt 15)
Auch besteht die Befürchtung, dass die ohne tatsächliche Veranlassung (ein aktuelles Baugesuch oder ähnliches liegt nicht vor) zu erlassende Veränderungssperre – zumindest – mittelbar rechtsgestaltend in ein privatrechtliches Verfahren der betroffenen Kleingärtner gegen die Gründstückseigentümerin eingreifen würde (Kündigungsschutzverfahren vor dem LG Berlin; Termin zur mündlichen Verhandlung im
Juli 2014 (!)). Insoweit ist es ganz und gar nicht Aufgabe der Exekutive, sich in irgendeiner Weise parteilich zu verhalten, führen zwei juristische Personen eine zivilrechtliche Auseinandersetzung. Dies ist ihr im verfassungsrechtlichen Kontext sogar grundlegend untersagt. Die Exekutive hat insoweit stets so zu handeln und zu verhalten, dass nicht einmal ansatzweise der Verdacht aufkommen könnte, dass diese verfassungsrechtlich begründete Unparteilichkeit durchbrochen wird. Eine Veränderungssperre stellt sich in diesem Sinne auch als rechtswidrig bzw. unwirksam dar (Rechtsmissbrauch), wenn mit ihr Ziele verfolgt werden sollen, die im Baugesetzbuch nicht vorgesehen sind, da allein städtebauliche Gründe diese begründen dürfen.
Ein Einwirken auf zivilrechtliche Streitigkeiten ist weder Gegenstand des Beschlusses noch seiner Begründung. Darüber hinaus hat die Annahme, der Erlass einer Veränderungssperre könne im laufenden Rechtsstreit zwischen dem Bezirksverband der Kleingärtner und Lorac um die Wirksamkeit der zum 30.11.2014 ausgesprochenen Kündigung eine Rolle spielen, mit der Rechtswirklichkeit nichts zu tun:
Maßgeblich für die Wirksamkeit einer Kündigung sind die Umstände zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung; das ist hier der 9.9.2013.
Der künftige Erlass einer Veränderungssperre ändert an der damaligen Situation nichts. Er würde dem Gericht – wie jedem anderen auch -lediglich signalisieren, dass der Bezirk nicht nur die Lippen spitzt, sondern auch tatsächlich pfeift.
Insofern ist der Versuch der Eigentümerin bemerkenswert, den Bezirksverordneten mit ihrem Schreiben vom 4.7.2014 zu suggerieren (Pt 2), eine Veränderungssperre würde „allein dem Versuch dienen, die Zivilrechtsposition der Kleingärtner zu verbessern“.
Rein tatsächlich versucht sie damit, ihre eigene Position als Verpächterin für weitere Kündigungen zu späteren Zeitpunkten zu verbessern:

  • Spricht das Gericht der Kündigung vom 9.9.2013 die Wirksamkeit ab und erlässt der Bezirk keine Veränderungssperre, erhöhen sich die Chancen, dass eine neue Kündigung zum nächstfolgenden  Beendigungstermin (30.11.2015) durchdringt, wenn das Gericht nun die Kündigungsvoraussetzung der alsbaldigen Umsetzung des Bauvorhabens als gegeben ansehen will.
  • Erlässt der Bezirk dagegen eine Veränderungssperre, dürften einer derartigen weiteren Kündigung maßgebliche Voraussetzungen fehlen.

Das Bezirksamt, das diese Argumentation hier von Lorac übernimmt, arbeitet Lorac damit im Ergebnis direkt für eine Räumung des Areals zum 30.11.2015 in die Hände.

 (Textabschnitt 16)  (zu Textabschnitt 16)
Am 8. Juli 2014 hat der Senat von Berlin den StEP Wohnen beschlossen; die „Kolonie Oeynhausen“ ist dort ganz aktuell als Wohnstandort aufgeführt. Es wird nicht klar, was mit dem Hinweis auf den StEP Wohnen intendiert ist.
Der StEP Wohnen ist noch nicht in den  Flächennutzungsplan integriert. Eine unmittelbare modifizierende Wirkung auf die aktuelle Bauleitplanung hat der StEP Wohnen nicht.
Einer Anpassung des FNP im Sinne des StEP Wohnen für das Areal Oeynhausen Nord würde der Bezirk bei der gegebenen Beschlusslage (BVV-Beschluss vom 15.8.2013, DS 0662/4, Nr. 2: „Wohnen“-Ausweisung für Oeynhausen wieder aus dem StEP Wohnen eliminieren) zu widersprechen haben.

29 : 15

Nein, das ist nicht das Ergebnis der deutschen Herren-Fußball-Nationalmannschaft gegen Brasilien – das war mit 7 : 1 doch noch etwas deutlicher. Mit 29 Ja-Stimmen von CDU, Grünen, LINKE. und Piraten bei 15 Nein-Stimmen der SPD und 2 Enthaltungen (Grüne) hat die BVV Charlottenburg-Wilmersdorf am 08.07.2014 in einer Sondersitzung beschlossen, eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB für das Gelände der Kolonie Oeynhausen zu erlassen. Außerdem soll der fast fertige Bebauungsplan IX-205-a bis November festgesetzt werden. Außerdem soll das BA

mit dem Kleingartenverein Oeynhausen und dem Bezirksverband der Kleingärtner Wilmersdorf und gegebenenfalls weiteren Akteuren wie z. B. dem Landesverband der Gartenfreunde, Stiftungen, dem Senat oder privaten Geldgebern, eine verbindliche Verpflichtung zur Übernahme eines etwaigen Entschädigungsrisikos gegenüber der Grundstückseigentümerin vereinbaren.

Die Veränderungssperre war bereits im Ursprungsantrag, der von Nadia Rouhani, Susanne Klose, Marlene Cieschinger, Arne Herz und mir als Gruppenantrag eingebracht wurde, enthalten. Erstaunlicherweise kam von unserer Grünen-Fraktion dann der Änderungsantrag, der unseren Antrag um die Punkte Festsetzung des B-Planes und die Vereinbarung zur Übernahme des Kostenrisikos erweitert. Erstaunlich deshalb, weil die grüne Fraktion in der Juni-BVV einen entsprechenden Antrag von CDU und Piraten durch einen Ersetzungsantrag verhinderte. Wie ich hörte, gab es vom Landesverband, vom Kreisverband und von der AGH-Fraktion erheblichen Druck auf unsere grüne Fraktion, der nach wohl heftigen Diskussionen, bei denen wohl auch der zuständige Stadtrat zumindest zeitweise anwesend war, schließlich zu diesem Antrag führte.

Die SPD-Fraktion hat in der BVV am 03.07.2014 mittel GO-Trick versucht, den Beschluß zu verhindern: sie beantragte die Überweisung in den Haushalts-Ausschuß, um die Auswirkung des Antrags auf den Haushalt des Bezirkes prüfen zu lassen. Dabei steht im Antrag explizit:

Dabei wird klargestellt, dass aufgrund der Haushaltslage des Bezirks von ihm keine öffentlichen Mittel für Zahlungen an den Grundstückseigentümer bereitgestellt werden.

Hintergrund war angeblich, daß, wenn die Überweisung abgelehnt würde, der Antrag als solcher hinfällig wäre. Ich sehe das ein wenig anders, weil unsere Geschäftsordnung dazu folgendes sagt:

§ 23
Reihenfolge der Abstimmung
(1) Bei der Abstimmung ist nachfolgende Reihenfolge einzuhalten:

d) Anträge, die, ohne die Sache zu berühren, lediglich Vorfragen betreffen, insbesondere Überweisung an einen
Ausschuss, Einholung einer Auskunft und dergleichen,

(3) Lehnt die BVV eine Beschlussempfehlung ab, ist über den Ursprungsantrag abzustimmen.

(Hervorhebungen von mir)

, aber sei’s drum. Im HH-A wurde dann nur kurz diskutiert und mit Mehrheit von CDU, Grünen, Piraten eine Beschlußempfehlung zur Annahme beschlossen. Dann machten sich alle auf den Weg zur Sonder-BVV ins Rathaus, um den einzigen Tagesordnungspunkt abzuhalten, den Beschluß. Petra Vandrey begründete nochmal den Antrag, und für die klaren Worte, die sie dabei benutzte, verdiente sie sich meinen Applaus. Ich selbst beantragte namentliche Abstimmung, „damit 2016 die Wählerinnen und Wähler nachlesen können, wer heute für, und wer gegen die Durchsetzung des Bürgerwillens stimmt“. Die Auszählung brachte die Empore zum Jubeln und Klatschen – Leute, das habt Ihr Euch aber auch verdient!

Wie geht’s nun weiter?

Das Bezirksamt hat bereits angekündigt, daß es nach § 18 BezVG die von Reinhard Naumann und Marc Schulte als gegeben gesehene Rechtswidrigkeit des Beschlusses (wobei Reinhard Naumann im HH-A wohl geäußert haben soll, das sei dann doch nicht gegeben…) durch das bezirkliche Rechtsamt prüfen lassen will. Dafür hat das BA 2 Wochen Zeit. Liegt die Beanstandung vor, hat die BVV einen Monat Zeit, eine Entscheidung der Bezirksaufsichtsbehörde zu beantragen. Deren Entscheidung ist dann – im Gegensatz zu dem, was ich dem Tagesspiegel gestern abend gesagt habe – bindend, eine Klage dagegen nicht möglich.

Juristen, die ich dazu befragt habe, sehen keine Rechtswidrigkeit unseres Beschlusses. Ich bin selbst kein Jurist und kann dazu nix sagen…

Sollte der Beschluß nicht rechtswidrig sein, muß das Bezirksamt unmittelbar die Veränderungssperre erlassen, den B-Plan bis Ende November 2014 in Kraft setzen, ein Gutachten zur Höhe der Entschädigung einholen und Gespräche mit den angeführten Akteuren führen, um eine Finanzierung hinzubekommen. Die Frage der Rechtswidrigkeit dreht sich hauptsächlich um die sogenannte „faktische Veränderungssperre“, die seit über drei Jahren bestehen soll. Zu dieser Frage gibt es diverse Äußerungen von Gutachtern. Auch zur Höhe eines evtl. zu zahlenden Schadensersatzes gibt es allerlei Zahlen – von 0 bis 52 Millionen Euro geht dabei die Spanne.

Insgesamt sehe ich den gestrigen Beschluß als wichtigen Schritt hin zur dauerhaften Sicherung der Kolonie an. Es ist aber bei weitem nicht der Letzte, der alles Entscheidende. Der Kampf geht weiter. Aber wie sagt Frank Sommer immer: “Venceremos!”.

 

Nebenbei: das Auftreten unseres Bezirksbürgermeisters gestern in der BVV fand ich – nun ja, daneben. Er trug eine schwarz-rot-goldene Stoffblumenkette. Mit der Würde seines Amtes kann ich so etwas in einer immerhin offiziellen und von der Presse gut beobachteten Veranstaltung nicht in Einklang bringen.

 

 

 

 

 

 


Bürgerbeteiligung? – Nur wenn es uns in den Kram passt, Teil 2

Über unser Portal openantrag.de kam der Vorschlag für einen Antrag zur Erweiterung der Bürgerbeteiligung in der BVV. Im Kern geht es darum, interessierten Bürger_innen auch in der Sitzung der BVV, ähnlich wie in Ausschüssen, ein Rederecht einzuräumen. Unser Antrag, Drucksache 0775/4, wurde in der November-BVV in den zuständigen Ausschuß für Geschäftsordnung überwiesen, dort im Dezember vertagt und gestern behandelt.

Ich hatte ja nicht erwartet, diesen Antrag ohne Probleme durchzubringen – dafür ist das, was wir da fordern, einfach zu radikal für diese Bezirksverordneten. Aber wenigstens einen kleinen Schritt in die Richtung, das hätte was gehabt. Statt dessen…

Die Vertreterin der Grünen jammerte gleich darüber, daß das ja zu einer immensen Verlängerung der Sitzungen der BVV führen würde, wenn zu jedem Tagesordnungspunkt auch noch 3 Bürger was sagen würden. Auch konnte sie sich nicht vorstellen, wie das denn gehen sollte, wenn ein Bürger während der Sitzung den Antrag stellen würde – der müsste ja irgendwie von den Mitarbeiterinnen des BVV-Büros, die nahe dem Eingang zum BVV-Saal ihrer Arbeit nachgehen und die Anträge entgegennehmen sollen, zum BVV-Vorstand am anderen Ende des Saales gelangen. Es kam Heiterkeit auf, als der Vertreter der SPD den Vorschlag „Papierflieger“ dazwischenrief.

Der Vertreter der CDU bemerkte, daß ja, wenn eine Drucksache in der BVV „endbesprochen“ wird, die eigentliche Diskussion schon in den Ausschüssen passiert sei, und da hätte ja jeder interessierte Bürger die Möglichkeit zur Mit-Diskussion. Insofern sei eine zusätzliche Redemöglichkeit in der BVV-Sitzung nicht mehr nötig. Das versuchte ich zu kontern mit dem Hinweis, daß es ja durchaus Drucksachen gibt, die in die BVV eingebracht, dort diskutiert werden (oder auch nicht…) und in der selben Sitzung der BVV beschlossen werden. Bei solchen Drucksachen hätte dann kein Bürger die Möglichkeit der Mitsprache.

Auch die Vorsteherin brachte zum Ausdruck, daß ein solches Verfahren die Sitzungen erheblich in die Länge ziehen könnte, was unserer Arbeit nicht gut tun würde. Mein Einwand, in der BVV Lichtenberg seien seit Inkrafttreten einer ähnlichen Regelung nur 2 Anträge gestellt worden, wurde weitgehend ignoriert.

Ich brachte dann auf Anregung von Marlene Cieschinger den Zusatz ein, daß die Möglichkeit auf direkt eingebrachte Drucksachen beschränkt wird, und eine Evaluierung nach 6 Monaten vorgenommen werden soll.

Abstimmungsergebnis: 1 dafür, 8 dagegen.

Es zeigt sich wieder einmal, daß von den 3 großen Fraktionen zwar viel von Bürgerbeteiligung gesprochen wird, wenn aber ein entsprechender Antrag eingebracht wird, wird mit vielen, auch fadenscheinigen Argumenten dagegen gesprochen und abgelehnt. Unsere BVV scheint noch nicht wirklich reif für eine offene, bürgernahe Kultur der Politik.

 

 


Sondersitzung vorbei – Ergebnis: keines

Die von uns beantragte Sondersitzung der BVV zur Kolonie Oeynhausen ist vorbei. Immerhin 47 von 55 Bezirksverordneten waren anwesend – der Termin heute am letzten Schultag ließ mich schlimmeres befürchten.

Die Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatten im Ältestenrat einen Ersetzungsantrag dabei:

Das Bezirksamt wird aufgefordert, zur Umsetzung der Planungsziele des Kleingartenerhalts für die Kolonie Oeynhausen den Bebauungsplan IX-205-a weiter zu verfolgen und hierfür die geeigneten Maßnahmen zu treffen, für etwaige Bauanträge und Bauanzeigen die Zurückstellung einzuleiten, Gespräche mit dem Finanzsenator zu führen und die ggfl. noch erforderlichen weiteren Schritte der Sicherung bis zur Festsetzung als private Kleingartenfläche zu ergreifen.

Die BVV verpflichtet sich, sich beim Senat und den Fraktionen des Abgeordnetenhauses für eine Unterstützung der Planungsziele des Bebauungsplanes IX-205-a einzusetzen.

Dr BVV ist bis zum 30.06.2014 zu berichten.

 

Nun ja – in diesem Text zeigt sich die Angst der SPD vor einer verbindlichen Zusage an die Kleingärtner_innen zur Sicherung der Kolonie. Offensichtlich – das ergab sich aus den Debattenbeiträgen der SPD – traut man den Gutachtern und dem Fachmann aus der Verwaltung nicht. Drei Gutachter und der Fachmann haben erklärt, daß es möglich ist, den von Lorac geforderten Schadensersatz ganz oder zu einem großen Teil zu verhindern, wenn man nur die richtigen Schritte macht. Aber nein: der Stadtrat ruft nur „25 Millionen! FÜNFUNDZWANZIG!!!“, und schon zieht die SPD den Schwanz ein. Und die Grünen können sich nicht entscheiden, endlich richtige grüne Politik im Bezirk zu machen. Statt dessen wird das Goldene Kalb Zählgemeinschaft umtanzt. Bloß nix machen, was die stören könnte…

Mein Eindruck ist, daß der Antrag unter tätiger Hilfe des zuständigen Stadtrates entstanden ist. Dagegen – also daß der Stadtrat bei seiner Fraktion einen passenden Beitrag bestellt – ist ja erst mal nix zu sagen. Wenn das aber dazu führt, daß ein großer Teil der Zählgemeinschaft gegen das eigene Gewissen einem solchen Antrag zustimmen muß, ist das grenzwertig.

Die CDU kam auf die Idee, in den Antrag der Zählgemeinschaft im Wege eines Änderungsantrages noch den unverzüglichen Erlaß einer Veränderungssperre einzufügen. Damit kam es nun zu folgender Abstimmungsreihenfolge:

1. der Änderungsantrag der CDU2.a. falls dieser angenommen wird, der sodann geänderte Antrag der Zählgemeinschaft
2.b. falls nicht, der unveränderte Ersetzungsantrag
3. falls der Antrag der (veränderte oder nicht veränderte) Antrag der Zählgemeinschaft nicht angenommen wird, unser Antrag.

Erwartungsgemäß wurde der CDU-Antrag von der rot-grünen Mehrheit abgelehnt, der eigen Antrag von diesen angenommen. Damit kam unser Antrag nicht mehr zur Abstimmung – Marc Schulte hatte sein vorläufiges Ziel erreicht.

Wie gehts nun weiter? Ich denke, wir werden die Veränderungssperre weiter fordern, untermauert von weiteren Funden aus den Akten. Auch werden wir den Antrag einbringen, daß die BVVdem erfolgreichen Bürgerbegehren beitritt, so daß der aufwändige Bürgerentscheid nicht mehr durchgeführt werden muß. Das sind für die Zählgemeinschaft sicherlich unangenehme Anträge. Aber das muß sein.

 

 


Die BVV CharlWilm muß extra ran

Die Fraktion der Piraten in der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf hat gestern eine Sondersitzung der BVV beantragt. Thema ist unser Antrag „Veränderungssperre für Bebauungsplan IX-205-a (Kolonie Oeynhausen„). Heute kam die Einladung für Freitag, 31.01.2014, 17 Uhr.

Eine Sondersitzung? Nur ein Tagesordnungspunkt? Was soll das?

Es geht – wieder einmal – um die Kleingartenkolonie Oeynhausen in Schmargendorf, zu der ich hier schon einiges geschrieben habe. Vor 2 Wochen erreichte mich ein umfangreiches Konvolut, in dem u.A. das vom Bezirksamt gewünschte, von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz beauftragte, nunmehr 4. Gutachten zu diesem Komplex zu finden war. Daneben viele weitere Schriftstücke, die für den Durchblick in der Sache zumindest für mich hilfreich waren – was ich aber auch von anderen Unterstützer_innen der Sache gehört habe. So fanden sich Aktennotizen, die – obwohl vorher entstanden – dem Verwaltungsgericht in dem Rechtsstreit um die Angabe der unsäglichen 25 Millionen Euro möglicher Schaden auf den Unterschriftslisten für das (inzwischen erfolgreich beendete) Bürgerbegehren nicht vorlagen. Aus dem Gutachten und weiteren Dokumenten kann man entnehmen, daß das Entschädigungsrisiko inzwischen auch auf Senatsebene irgendwo zwischen 0 und 1.000.000 € gesehen wird – die von Marc Schulte gebetsmühlenartig genannten 25 oder gar 50 Millionen sind es jedenfalls nicht. Von den Kleingärtnern liegt eine Zusage vor, 950.000 € aufzubringen, so daß das Risiko für den Bezirk verschwindend gering ist.

Ich finde es jetzt an der Zeit, das zu machen, was wir im Januar 2013 schon einmal versucht haben: eine Veränderungssperre zu erlassen. Diese ist notwendig, damit die BVV die ihr zustehende Planungshoheit behalten kann. Sollte ein Bauantrag für das betroffene Gebiet (oder Teile davon) eingereicht werden, wäre die Gemeinde (also in dem Fall der Bezirk) quasi gezwungen, dem stattzugeben, da hier möglicherweise altes (uraltes: von 1958/60!) Baurecht gelten könnte – worüber derzeit auch gestritten wird. Die Veränderungssperre kann der Bezirk erlassen, weil die Voraussetzung aus § 14 BauGB erfüllt ist: es gibt seit Jahren den Bebauungsplan IX-205-a, der aber aus unerklärlichen Gründen bislang nicht festgesetzt wurde. Dieser B-Plan soll im wesentlichen das Gebiet der Kolonie, soweit es nicht dem Land Berlin gehört, als Dauerkleingarten-Gebiet festlegen. Das entspricht auch dem aktuellen Flächennutzungsplan der Stadt Berlin.

Die Veränderungssperre gibt uns jetzt auch die Zeit, diesen B-Plan zügig zu bearbeiten und dann das Festsetzungsverfahren anzuleiern. Der B-Plan ist, nach allem, was ich weiß, unterschriftsreif, könnte also in der nächsten (ordentlichen) BVV beschlossen werden. Das weitere Verfahren kann dann ein paar Wochen dauern – mit der Veröffentlichung der von der BVV beschlossenen Verordnung im Gesetz- und Verordnungsblatt von Berlin ist der B-Plan dann gültig.