rausgeschmissen

…wurde ich zusammen mit Nadia Rouhani am 21.08.2014 gegen 12 Uhr vom Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann aus einer Pressekonferenz zum neuen Gutachten zum Wert des Geländes der Kolonie Oeynhausen. Anwesende informationshungrige Bürgerinnen und Bürger durften ebenfalls nicht an dieser PK teilnehmen.

Herr Naumann begründete dieses damit, daß diese PK „eine Veranstaltung der Verwaltung“ sei und „in den Räumen der Verwaltung“ stattfinde – er wollte damit wohl auf sein Hausrecht hinweisen. Proteste von Nadia und mir, das gehe ja nun gar nicht, wurden mit „die Fraktionen wurden ja gestern informiert“ beantwortet.

Tatsache ist: das neue Gutachten wurde in je einem Exemplar den Fraktionen und Marlene am Dienstag morgen in die Büros gelegt. Das BVV-Büro informierte die Fraktionen per Email um 10:56 Uhr davon. In allen Fraktionen ist das Büro derzeit noch wegen Sommerferien geschlossen. Marlene befindet sich im Ausland.

Um 13:49 Uhr am Dienstag kam eine Email von Holger, daß er soeben aus dem Büro des Bezirksbürgermeisters für Mittwoch, 18 Uhr zu einem Infotreffen zu diesem neuen Gutachten und dem weiteren Vorgehen eingeladen sei. Die Vertraulichkeit des Dokuments (also des Gutachtens) wurde dabei nochmals betont.

Ich fand mich dann am Mittwoch kurz vor 18 Uhr vor dem Büro des BezBM ein und sprach noch mit Nadia und Arne Herz über die Sache, währen Holger schon im Büro des BezBM war. Als ich dann reinging, nahm Holger mich zur Seite und bat mich, nicht an dem Termin teilzunehmen,. Später am Abend schrieb er, daß wohl gesagt wurde, daß da noch einige ernsthafte Worte wegen Weitergabe von Daten und meinen Blogartikeln fallen sollten.

Der Rausschmiß am Donnerstag hat dann Nadia sehr aufgeregt – zu Recht, meine ich. Wenn Herr Naumann meint, von seinem Hausrecht Gebrauch machen zu müssen, um Bezirksverordnete – die ja hier in Berlin auch Teil der Verwaltung sind – an ihrer Arbeit zu hindern, dann ist das ein starkes Stück. Die Kontrollrechte, die die BVV bzw. die Bezirksverordneten gegenüber der (restlichen) Verwaltung haben, beschränken sich ja nicht auf die Vergangenheit, wie Peter Ottenberg im Kommentar zum Bezirksverwaltungsgesetz zum § 17  schreibt:

Der Wortlaut der Vorschrift könnte eingeengt so verstanden werden, dass eine Kontrolle erst einsetzt, wenn das BA Geschäfte geführt, also gehandelt hat, mithin regelmäßig um eine „nachläufige Überprüfung (von Verwaltungshandeln) und nicht die Tätigkeit des BA begleitende Mitarbeit“. Diese Einengung greift jedoch nicht durch. Kontrollmechanismen dürfen im Sinne einer erweiterten Befugnis der BVV auch vorsorglich zur Anwendung gebracht werden. Der Begriff ist so zu verstehen, dass „er die vorbeugende, mitgehende und nachgehende Kontrolle umfasst“.
(Rn 4)

Auch sind wir Bezirksverordnete, wie schon gesagt, Teil der Verwaltung, und als solche haben wir sicherlich genauso ein Recht, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen, wie z.B. die Justitiare des Bezirks, die da gestern teilnehmen durften. Es steht uns zu, eine „mitgehende“ Kontrolle auszuüben. An presseöffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, gehört meines Erachtens dazu.

Ich hab dann, als ich vor dem Bürgermeisterbüro auf das Ende der PK wartete, auf Facebook geschrieben:

Sitze VOR. Dem Büro des bezirksburgermeisters, in dem eine pk zum neuen Gutachten zu Oeynhausen stattfindet. Bezirksverordnete wurden von Naumann rausgeschmissen.

Es gab nette Kommentare dazu.

 

 


Noch eine Dreistigkeit

Nach Hinweisen von und Gesprächen mit meinen juristischen Beratern komme ich zu dem Schluß, daß Baustadtrat Marc Schulte in der Sonder-BVV am 04.08.2014 noch eine ziemlich dreiste Ansage gemacht hat:

Marc Schulte hat in der BVV am 4. August zum Besten gegeben, dass er Carsten Engelmann (CDU) eine Vertagung der Beanstandung angeboten habe. Damit habe er den BA-Vertretern der CDU und der Grünen Gelegenheit geben wollen, die Beanstandungsbeschlussvorlage bei der nächsten Sitzung, in der sie zusammen wieder die Mehrheit im Bezirksamt hätten, zurückzuweisen. Hierauf sei Herr Engelmann nicht angesprungen, was er (Schulte) nur als inkonsequentes oder taktisches Verhalten deuten könne.

Diese Einlassung, sofern das denn wirklich so gewesen ist, halte ich für infam:
Marc Schulte hat seinen Kollegen im Bezirksamt mit dem Angebot einer Vertagung der Entscheidung über die Beanstandung eine Falle stellen wollen. Hätte man die Beanstandung vertagt und hätte das Bezirksamt dann beim nächsten Termin die SPD-Stadträte überstimmt und eine Beanstandung des BVV-Beschlusses abgelehnt, hätte Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann dann diesen Bezirksamts-Beschluss später von sich aus – gegründet auf § 39 Abs. 4 BezVG beanstandet. Diesen Beschluss hätte dann wiederum das Bezirksamt mit Mehrheit der CDU-/Grünen-Stadträte seinerseits beanstanden und den Innensenator anrufen müssen. Dessen Entscheidung wäre dann abzuwarten gewesen und die BVV am 4. August wäre hinfällig geworden. Damit wäre das Heft des Handelns der BVV entzogen; die BVV müsste – anders als jetzt – nicht einmal von der Bezirksaufsicht beim Senator für Inneres und Sport im Verfahren angehört werden.

Diese Hinterlist hat Arne Herz (CDU) am 4. August in seiner Erwiderung auf Schulte angedeutet. Schwach war allerdings, dass die CDU-Stadträte Dagmar König und Carsten Engelmann hier nicht selbst entsprechend reagiert haben; aber: Zumindest im Ergebnis hat sich Carsten Engelmann in der Bezirksamtssitzung richtig verhalten.

Solche taktischen „Spielchen“ sind der Sache nicht dienlich und einem ordentlich arbeitendem Bezirksamt unwürdig. Ich hoffe, daß der Eindruck, der hier in meinem Beraterkreis entstanden ist, täuscht.


Dumm oder dreist?

Das Bezirksamt hat ja den Beschluß der BVV beanstandet, für das Gelände der Kolonie Oeynhausen eine Veränderungssperre zu erlassen.

Begründet wird die Beanstandung unter anderem damit, daß eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB nicht erlassen werden könnte, weil

Das  Bezirksamt  nach  dem  gegenwärtigen  Stand  des  Planungsverfahrens  und  dem  jahrelangen  Vorlauf  der  Angelegenheit  seit  dem  Jahr
2011  davon  ausgehen muss,  dass  die  Planung  gemäß des  Planentwurfs  IX  205a  endgültig  nicht  festsetzbar  ist,  da  dies  Entschädigungsforderungen  der Grundstückseigentümerin  in  unbestimmter  EuroMillionenhöhe  nach  sich  ziehen  würde.

Statt dessen möchte das Bezirksamt den § 15 BauGB nutzen, um die Kolonie zu retten:

Durch  Beschluss  der  Bezirksverordnetenversammlung  vom  19.  Juni  2014  und  des  Bezirksamtes  vom  1.  Juli  2014  [TOP  7a  (Vorlage  Nr. 210  z.  B)]  besteht  bereits  eine  gesicherte  Rechtslage  zur  grundlegenden  Interessensicherung,  nach der  das  Bezirksamt  dazu  verpflichtet  ist,  dass  es, sollten  solche  Anträge  tatsächlich  gestellt  werden,
hierauf  unmittelbar  mit  einer  Zurückstellung  nach  § 15  BauGB  zu  reagieren  hat.

Diese Argumentation ist m.E.n. entweder dumm oder dreist.

Dumm wäre sie, wenn das BA und die ihm zuarbeitenden Mitarbeiter_innen nicht erkannt hätten, daß § 15 BauGB keine Alternative zu § 14 BauGB ist, sondern eine Ergänzung.  Eine Veränderungssperre ist immer als Satzung der Gemeinde zu erlassen. In Berlin bedeutet das, daß das BA und die BVV eine Veränderungssperre beschließen müssen, das BA darüber Einvernehmen bei der zuständigen Senatsverwaltung herstellen und die Veränderungssperre im Gesetzblatt veröffentlicht werden muß. All dies benötigt Zeit, und für den Fall, daß in dieser Zeit ein Baugesuch oder Bauantrag eingereicht wird, der der Planung der Gemeinde widerspricht, kann dem mit einer Zurückstellung begegnet werden.

Daraus folgt, daß für eine Zurückstellung die selben Voraussetzungen gelten wie für eine Veränderungssperre, so Mischung in Battis: Baugesetzbuch, 12. Auflage, Rn 2 zu § 15.

Das BA behauptet nun, daß die Veränderungssperre nicht möglich ist, weil der B-Plan nicht festsetzbar ist. Daß damit aber auch keine Zurückstellung möglich ist, wird übersehen. Das nenne ich dumm.

Dreist wäre die Argumentation des BA, wenn es folgendes Szenario ins Kalkül ziehen würde (was ich ihm durchaus zutraue):

  • Lorac schickt einen Bauantrag
  • BA antwortet: ist nicht, wir machen Zurückstellung
  • Lorac sagt danke und klagt
  • Das VG fragt im Verfahren das BA: soso, Zurückstellung, schön, schön. Wie weit ist denn die Veränderungssperre? Ach, ihr macht keine? Warum nicht? ach, der B-Plan ist nicht festsetzbar?

Das Ergebnis eines solchen Vorgehens ist dann klar: dem Bauantrag ist zuzustimmen, die Kolonie ist perdu. Das nenne ich dreist, weil durch die Argumentation des BA den Mitgliedern der BVV, aber auch der Öffentlichkeit suggeriert wird, daß mit dem (untauglichen) Mittel der Zurückstellung die Probleme gelöst werden könnten. Für das BA wäre das natürlich eine elegante Lösung, denn es könnte sagen: wir haben es versucht. Den Zusammenhang zwischen Zurückstellung und Veränderungssperre – sorry, das haben wir übersehen.