Unter diesem Titel habe ich am 05.11.2013 eine Kleine Anfrage an das Bezirksamt gerichtet. Erstaunlicherweise kam schon am 11.11.2013 die Antwort. Erstaunlich deshalb, weil das BA sich bei den Antworten oftmals sehr viel Zeit läßt…
Meine Fragen lauten:
1. Ist das Bezirksamt der Meinung, dass Sätze wie
– „dass ich … insb. nicht mit Ihnen in vertiefende Rechtsgespräche einsteigen werde“
– oder „…sende ich Ihr Schreiben … ungelesen zu meiner Entlastung zurück“
– oder „Sehen Sie von weiteren Zusendungen von Schreiben in dieser Angelegenheit an mich ab!“
in einem Schreiben an einen Bürger angemessen sind? Falls ja, bitte um eine umfassende Begründung.
2. Ist das Bezirksamt mit mir der Meinung, dass solche Sätze möglicherweise behördenintern, keinesfalls jedoch in der Kommunikation mit den Bürgern geäußert werden dürfen?
3. Ist das Bezirksamt mit mir der Meinung, dass in diesem Fall ein erklärendes Schreiben mindestens des ursprünglichen Verfassers, möglichst aber der Abteilungsleitung angemessen wäre?
Der Hintergrund meiner Anfrage ist ein Schreiben eines höheren Beamten des BA Charlottenburg-Wilmersdorf an einen Kleingärtner der Kolonie Oeynhausen, welches hier anonymisiert einsehbar ist. Dieses Schreiben des BA ist wiederum die Antwort auf ein Schreiben dieses Kleingärtners, hier ebenfalls anonymisiert einzusehen. Beide Schreiben sind auch – kommentiert – auf der Webseite der Kleingärtner zu sehen.
Das Schreiben des BA ist in meinen Augen eine Frechheit. Und nicht nur in meinen: ein weiterer höherer Beamter des Landes Berlin hat, nach Lektüre des Artikels bei den Kleingärtnern, das BA-Schreiben mir gegenüber mit „is ja irre!“ kommentiert…
Das Bezirksamt und insbesondere ein „Beamter des Landes Berlin“ ist zunächst einmal ein Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt, in ihrem Auftrag tätig und von ihnen bezahlt. In diesem Schreiben spüre ich deutlich den Versuch, die Verärgerung über die Störung der „Amtsgeschäfte“ durch einen Bürger zu unterdrücken, was aber grandios gescheitert ist.
Zum besseren Verständnis muß ich jetzt ein wenig ausholen:
Am 25. September 2013 fand zwischen dem Bezirksverband der Kleingärtner Wilmersdorf, dem Kleingärtnerverein Oeynhausen und der SPD-Fraktion in der BVV ein Gespräch statt, zu dem der Stadtrat unverhoffterweise hinzukam. Die Kleingärtner wollten mit den beiden Vertretern der SPD über ihre Erkenntnisse aus den diversen Akteneinsichten sprechen, die sie mit Hilfe des IFG durchgesetzt im Verlauf des Verwaltungsgerichtsverfahrens um die Klage gegen den vom BA geforderten Zusatztext für das Bürgerbegehren (die berühmten 25 Millionen Euro…) hatten. Der Stadtrat berichtete mehr oder weniger ungefragt darüber, daß Lorac als Eigentümer des Geländes der Kolonie im August 2013 Widerspruch gegen einen Bescheid des Bezirksamtes vom Juli 2012 eingelegt hat. Mit dem Bescheid wurde der Erlass eines Bauvorbescheides zurückgewiesen. (Zu den Hintergründen siehe die Rubrik „Tagebuch“ bei der Kolonie, sowie hier in meinem Blog zum Stichwort „Kleingärten„). Nach der Erinnerung der anwesenden 5 KleingärtnerInnen – und hier wird es interessant – hat Herr Schulte auf Rückfrage mitgeteilt, daß sich der Widerspruch seitens der Lorac auf deren Vorbescheidsantrag vom 1. Februar 2011 beziehe. Mitte Februar 2011 hat aber der von Lorac beauftragte Architekt den Vorbescheidsantrag „ohne Billigung von Lorac“ auf die Frage einer Modifizierung der geschlossenen Bauweise reduziert. Lorac möchte nunmehr alle in dem ursprünglichen Antrag gestellten Fragen beantwortet wissen.
Interessant wird es hier, weil diese Information von Martina Kelz, aktive Kleingärtnerin, in ihrer Einwohnerfrage in der Oktober-BVV als Punkt Nr. 3 thematisiert wurde:
Herr Dr. Haass behauptet im Widerspruchsverfahren gegen den Bezirk genau das Gegenteil seiner Behauptung aus der Klage gegen den Bezirk (die ursprünglichen 4 gestrichenen Fragen sind Gegenstand des Bauvorbescheides vs. nur die Ausnahme der geschlossenen Bauweise ist Gegenstand des Bauvorbescheides). Anwälte unterliegen der Wahrheitspflicht (§ 43 BRAO). Wie bewertet das Bezirksamt die gegensätzlichen Aussagen von Dr. Haass zum Gegenstand des Bauvorbescheides und erwägt der Bezirk hierüber die Anwaltskammer zu unterrichten?
Die Antwort von Marc Schulte:
Interessant ist zudem, dass die Fragestellung in Teilfrage 3 ohne sehr genaue Aktenkenntnis auch der aktuellen Unterlagen nicht möglich gewesen ist. Da aber die Fragestellerin keine Akteneinsicht hierzu genommen hat, bleibt die Frage, wie diese Informationen Frau Kelz erreicht haben. Das Bezirksamt wird dieser Fragestellung nachgehen, da ein Bruch der Vertraulichkeit von anderen, die Akteneinsicht genommen haben, nicht ausgeschlossen werden kann.
Wie mir Martina bestätigte, hat Marc Schulte genau dieses, wie oben beschrieben, in dem Gespräch am 25. September gesagt. Ich nahm dies zum Anlaß, eine weitere Kleine Anfrage zu stellen. Die kurze Antwort:
Im Gespräch am 25. September 2013 wurde darüber informiert, dass der eingelegte Widerspruch inzwischen begründet wurde, aber nicht, mit welchen Argumenten dies erfolgt ist.
Er streitet also ab, daß er selbst – wie es meine Fragestellung beschrieb und wie auch die KleingärtnerInnen übereinstimmend aussagen – diese Information gegeben hat. Statt dessen werden nun – siehe die Antwort auf die Einwohnerfrage – pauschal alle diejenigen, die Akteneinsicht hatten, erst mal verdächtigt, diese Information an die KleingärtnerInnen weitergegeben zu haben. Das können dann nur Bezirksverordnete oder Beschäftigte des BA gewesen sein, denn nur diese können die Vertraulichkeit brechen (was ggfls. sogar strafrechtlich verfolgt werden kann).
Zurück zum Ursprung: in dem Gespräch am 25. September 2013 wurde den Vertretern der Kleingärtner angeboten, mit dem höheren Beamten, dessen Schreiben zu diesem Blogeintrag führte, ein Gespräch zu führen. Für dieses Gespräch wurden allerdings Bedingungen genannt: es darf nur um 2 Schreiben des Kolonievorstandes und die Einschätzung der Anwendbarkeit eines Urteils eines Oberverwaltungsgerichtes gehen. Sollten die Kleingärtner nach diesem Gespräch überzeugt worden sein, daß eine Bebauung der Koloniefläche nicht mehr abzuwenden ist, sollen sie sich dafür in den entsprechenden Entscheidungsgremien einsetzen, daß das begonnene Bürgerbegehren zu stoppen sei und damit die im „Kompromiß“ des Bezirksamtes mit Lorac/Groth verabredete Teilbebauung durchgeführt werden kann. Über das Gespräch mit dem höheren Beamten soll kein Protokoll geführt werden. Und, offensichtlich ganz wichtig: alle Beteiligten sollen Verdächtigungen entgegentreten, es gäbe „nicht ordnungsgemäße Beziehungen“ zwischen dem Stadtrat und Lorac und/oder Groth.
Zum letzten Punkt schreib ich jetzt lieber nix 🙂 Oder doch: man suche mal im Webangebot des Tagesspiegels nach „Marc Schulte“ und lese zu den Artikeln aus dem Oktober und November 2013 die Kommentare.
Offensichtlich konnten die Kleingärtner nicht überzeugt werden, denn von einem Stop des Bürgerbegehrens ist nichts bekannt. Ein Protokoll wurde meines Wissens von diesem Gespräch auch nicht erstellt, was der höhere Beamte in seinem Schreiben ja auch „indirekt“ bestätigt. Insofern sind Ton und Duktus des Schreibens gewaltig daneben. Dieses „insb. nicht mit Ihnen“ ist eine Frechheit. Ob Gespräche „sachdienlich oder erforderlich“ sind, wird im Vorhinein entschieden, also ohne daß ein Gespräch überhaupt stattgefunden hat. Auf diese Weise kann man als höherer Beamter natürlich Gespräche mit unliebsamen Störern gut verhindern und weiter seinen Amtsgeschäften ungestört nachgehen. Ansonsten spricht er „ggf. mit BVV-Abgeordneten“. Das hat mich ja fast umgehauen. Dieser höhere Beamte wird von Marc Schulte als „Justitiar“ angekündigt. Da er in einer Bezirksverwaltung tätig ist, gehe ich davon aus, daß er das Bezirksverwaltungsgesetz kennen sollte.
Also was macht unser höherer Beamter? Nach Lektüre des Schreibens schickt er dieses „zu meiner Entlastung ungelesen“ zurück. Um dann zu schließen: „Sehen Sie von weiteren Zusendungen von Schreiben in dieser Angelegenheit an mich ab!“ Mit Ausrufezeichen! Ohne „bitte“!! Immerhin noch „Mit freundlichen Grüßen“…
Und was antwortet das Bezirksamt (in Person des Bezirksbürgermeisters) auf meine Kleine Anfrage?
Ohne den jeweiligen konkreten Sachverhalt zu kennen, kann eine sach- und inhaltsgerechte
Beantwortung der Kleinen Anfrage nicht erfolgen. Da der Fragesteller offensichtlich über
detaillierte Kenntnisse verfügt, erscheint es sachgerecht, wenn er sich direkt an den/die
zuständigen Abteilungsleiter/in zwecks Klärung wendet; dies ggf. auch unter Beachtung von
datenschutzrechtlichen Belangen.
Richtig ist, dass die öffentliche Verwaltung sich als Dienstleister versteht und den Bürger/innen in angemessener Form gegenüber zu treten hat. Dies ist jedoch keine „Einbahnstraße“ – auch die Bürger/innen haben sich sachlich gegenüber der Behörde zu äußern, was erfahrungsgemäß leider nicht immer der Fall ist.
Das Bezirksamt hat sich also nicht die Mühe gemacht, herauszufinden, ob tatsächlich und wenn ja wo die von mir zitierten Sätze geschrieben wurden. Komisch – meine Handynummer und meine Emailadresse sind der Verwaltung, insbesondere auch dem zuständigen Stadtrat und dem Bürgermeister bekannt. Ein Anruf, eine Email, und ich hätte auf die Seite der Kleingärtner verwiesen…
Statt dessen wird darüber schwadroniert, daß die Verwaltung den BürgerInnen in angemessener Form zu antworten hat, wenn – ja wenn – dieser sich bitte auch zurückhält und keine Schimpfkanonaden losläßt.
Wer das Schreiben des Kleingärtners an den höheren Beamten gelesen hat, sieht, daß dieses von – nun ja – ausgesuchter Höflichkeit geprägt ist. Ich kenne den Verfasser auch nur als ausgesucht höflichen, zurückhaltenden Menschen, der allerdings in der Sache als ehemaliger Verwaltungsjurist durchaus auf den Punkt kommen kann.
Fazit: schwach, liebes Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf. Sehr schwach. Setzen: 6.