Ein Gastbeitrag von Wolfgang Mahnke
Das Bezirksamt zögert, den Bebauungsplan zur Grünflächenausweisung der Schmargendorfer Kleingartenkolonie Oeynhausen Nord zu erlassen. Grund hierfür war bisher, dass die Eigentümerin (Lorac aus Luxemburg) für diesen Fall Entschädigungsansprüche angekündigt hat und der Bezirk meint, ein Entschädigungsrisiko nicht ausschließen zu können.
Hierbei berief sich der Baustadtrat auf die Senatsbauverwaltung, die ein Entschädigungsrisiko nach dem Baugesetzbuch zwar verneinte, aber es mit Blick auf die vom Bundesgerichtshof entwickelte „Sonderopfer“-Rechtsprechung nicht gänzlich ausschließen wollte; das entsprechende Schreiben von Herrn Staatssekretär Gothe an Herrn Stadtrat Schulte datiert vom 23. Mai 2012.
Mittlerweile hat sich hier aber einiges bewegt:
- Das Bundesverfassungsgericht hat im Dezember 2014 die „Sonderopfer“-Rechtsprechung aufgehoben.
- Die Fraktionen der CDU und der Piraten in der Bezirksverordnetenver-sammlung Charlottenburg-Wilmersdorf (BVV) haben ein Rechtsgutachten zum Entschädigungsrisiko beauftragt. Dieses Gutachten liegt seit dem 14. April 2015 vor. Es kommt zu dem Ergebnis, dass Entschädigungs-ansprüche hier nicht entstehen können.
Nachdem die BVV im vergangenen Jahr beschlossen hatte, die Grünflächenfestsetzung mit einer „Veränderungssperre“ zu sichern, nahm sie die jüngste Entwicklung nun zum Anlass, das Bezirksamt (BA) zur Revision seiner bisherigen Risikobewertung aufzufordern. Der Antrag der Grünen hat folgenden Wortlaut:
„Die BVV möge beschließen:
Das BA wird gebeten, aufgrund des Gutachtens vom 14.04.2015 und der Änderung der Rechtsprechung (Beschluss Bundesverfassungsgericht 16.12.2014) eine erneute Bewertung des Entschädigungsrisikos hinsichtlich der Kleingartenkolonie Oeynhausen vorzunehmen.
Der BVV ist bis zum 31.05.2015 zu berichten.“
Behandelt wurde der Antrag in der BVV am 21. Mai 2015.
In der Antragsbegründung gingen die Sprecher der Grünen auf die Chance ein, nun ein Entschädigungsrisiko in Gänze ausschließen zu können. Sie hoben dabei das schon erwähnte Schreiben von Herrn Staatssekretär Gothe vom 23. Mai 2012 hervor, das ja nur ein Risiko in der Sonderopfer-Rechtsprechung des BGH sah, die aber nun nach Aufhebung durch das Bundesverfassungsgericht entfallen sei.
Der Sprecher der SPD-Fraktion hielt den Antrag für überflüssig, da die Angelegenheit beim Bezirksamt bestens aufgehoben sei.
Ergänzend machte er deutlich, dass seine Fraktion in der Aufhebung der BGH-„Sonderopfer“-Rechtsprechung keinen Hinderungsgrund sieht, an der Gedankenführung des BGH festzuhalten; aus Sicht der Fraktion sei nicht auszuschließen, dass das BVerfG die Denkweise des BGH übernehmen könnte, wenn ein Zivilgericht ihm künftig einen neuen Fall zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des § 42 Abs. 2 BauGB vorlegen würde.
Diese Argumentation stellt im Kern nichts anderes als eine Aufforderung zum Rechtsbruch dar:
Das Bezirksamt ist bei seinem Handeln an Recht und Gesetz gebunden. Dazu gehört neben der Anwendung der bestehenden Gesetze auch die Beachtung der – insbesondere höchstrichterlichen – Rechtsprechung. Nachdem das BVerfG die „Sonderopfer“-Rechtsprechung des BGH kassiert hat, heißt das für das Bezirksamt nichts anderes, als dass nun wieder allein der Wortlaut des Baugesetzbuchs Vorgabe für das Verwaltungshandeln ist; ein „Sonderopfer“ darf das Bezirksamt nicht mehr zur Grundlage seiner Entscheidungen machen!
Mit diesem Debattenbeitrag hat die SPD-Fraktion tiefe Einblicke in ihr Verständnis von ordnungsgemäßer Verwaltung gewährt. Bei näherer Betrachtung des Debattenablaufs hat sich diese Entblößung als unnötig erwiesen, weil der Baustadtrat und – flankierend – der Bezirksbürgermeister ohnehin betonten, ihre Risikoeinschätzung nicht ändern zu wollen.
Der Baustadtrat nutzte die Gelegenheit zudem dazu, erneut für seine Idee zu werben, der Eigentümerin – entgegen der eindeutigen Beschlusslage im Bezirk – eine hälftige Bebauung des Areals anzubieten.
Wie sich diese Vorfestlegungen damit vertragen, dass das Rechtsamt eine Bewertung der neuen Situation zur Bezirksamtssitzung am 2. Juni 2015 vorlegen soll, blieb unerörtert.
Aus der Morgenpost war zu erfahren, dass auch Bausenator Geisel bei seiner Verwaltung eine Würdigung der neuen Situation in Auftrag gegeben hat. Dazu, ob es hier eine koordinierte fachliche Stellungnahme von Bauverwaltung und Bezirk geben soll, hat sich der Bezirksbürgermeister in seinem Debattenbeitrag nicht geäußert.
Die Vorfestlegungen der politisch Agierenden machen es den Fachebenen in der Senatsbauverwaltung und im Bezirk nicht leicht, eine unabhängige fachliche Stellungnahme abzugeben. Meine Erfahrungen in der Vergangenheit – und dabei gerade auch zu Oeynhausen – haben mir aber gezeigt, dass die KollegInnen dort genug Rückgrat haben, einem derartigen Druck Stand zu halten.
Nachzutragen bleibt noch, dass sich eine Ablehnung des Antrags nach der Debatte nicht mehr vermeiden ließ:
- Die SPD stimmte dagegen, weil sie dem Bezirksamt in der Sache freie Hand lassen will.
- Die übrigen BVV-Mitglieder stimmten dagegen oder enthielten sich, vermutlich weil sie sich in ihrem Vertrauen in eine unbefangene Amtsführung des agierenden Bezirksamtsmitglieds nicht mehr sicher waren.
- Die Stimmen aus der grünen Fraktion reichten letztlich nicht zur Annahme aus.
wieder nur eine halbe antwort:
wie war es mit den anderen PIRATEN ?
und vor allem, mit welchen begründungen ?
ich hab die anderen Piraten nicht kontrolliert, insofern kann ich das
nicht sagen – wie bekannt, gibts bei uns keinen Fraktionszwang.
Der Antrag der Grünen war in meinen Augen ein Schaufenster-Antrag. Das
BA ist edh in der Pflicht, den Beschluß zu bewerten, und hat eine solche
bis 02.06. zugesagt. Hätte es einen Antrag gegeben, den B-Plan jetzt
umgehend festzusetzen, hätte ich dem sicher zugestimmt.
…dennoch bleibt die frage offen
ich habe mich enthalten
Herr Schlosser hat den Beitrag nicht geschrieben…
..und wie haben sich denn nun die PIRATEN verhalten ?
dagegen, dafür, enthalten – mit welcher begründung ?
Herr Schlosser drückt sich im beitrag nicht klar aus
bin auf seine antwort gespannt-bisher ist er nicht bekannt für eine offene kommunikation zu bürgeranfragen