ich habe heute eine Sitzung des „Ausschusses für Bürgerdienste und Personal“ der hiesigen Bezirksverordnetenversammlung (BVV) besucht. Für Nicht-Berliner: die BVVen hier in Berlin sind in etwa vergleichbar mit dem Stadtrat einer großen Stadt, meine hier ist für ca. 340.000 Einwohner zuständig. Allerdings sind die Möglichkeiten der BVVen sehr beschränkt, weil ihr Etat durch das Land Berlin bestimmt wird. Nur ca. 5 % der jährlich zugewiesenen Mittel können tatsächlich in eigener Verantwortung verplant werden…
Grund meines Besuches in der Sitzung war zum Einen, daß ich im September für genau diese BVV kandidieren will, zum Anderen der tagesordnungspunkt
„ZENSUS 2011 (Durchführung im Bezirk; Informationsangebote) BE: Herr BzStR Krüger“
Der Herr BezirksStadtRat Krüger machte es in seinem Bericht ganz kurz, weil es, wie er sagte, „eigentlich nichts zu berichten gibt“.
er führte nur aus, daß der Zensus dieses mal nicht, wie früher immer, eine komplette Erfassung sei, sondern daß nur eine Stichprobe gemacht wird, was die Verwaltung entlastet, weil weniger Leute abzustellen sind. dabei sprach er abwechselnd von „Zensus“ und „Microzensus“ …
Es ist nach seinem Bericht wohl so, daß die 12 Berliner Bezirke vom Innensenat aufgefordert wurden, jeweils 6 Mitarbeiter als Erhebungsbeauftragte abzustellen. Macht also 72 insgesamt für die bezirke. Die Zahl der von den Senatsverwaltungen abgestellten Mitarbeiter kannte er nicht, ebenso nicht die Zahl der Erhebungsbeauftragten insgesamt.
Meine Nachfrage, ob er denn sagen könne, aus welchen Abteilungen der Bezirksverwaltung denn die 6 Mitarbeiter kämen, wurde von ihm und seinem Referenten mit Unverständnis aufgenommen. Mein Nachhaken, daß es m.M.n. unglücklich wäre, wenn ein Mitarbeiter der Ordnungs- oder Sozialamtes als Erhebungsbeauftragter abgestellt würde, weil man ja nicht ausschließen könnte, daß dieser an Informationen kommt, die er in seinem Arbeitsgebiet „gebrauchen“ könnte, wurde mit dem Hinweis auf das „umfangreiche Schulungsmaterial“ und die Verschwiegenheitsverpflichtung beantwortet.
Nach Ende der Sitzung wurde ich von einer SPD-Verordneten angesprochen und gebeten, meine „Bauchschmerzen“ bei Erhebungsbeauftragen aus bestimmten Abteilungen zu erläutern. ich habe das gerne getan, und sie sagte, daß die SPD-Fraktion da bei der Verwaltung noch einmal nachfragen werde.
Ich hatte den Eindruck, daß die anwesenden Politiker die Risiken des Zensus gar nicht auf dem Schirm haben…
Also hab ich dem Herrn Krüger folgende Mail geschickt:
Hallo Herr Krüger !
wir saßen heute – na, wenn Sie das im Büro lesen, gestern – in der Sitzung des Ausschusses für Bürgerdienste und Personal nebeneinander, und ich fragte Sie danach, aus welchen Abteilungen die 6 vom BA CHarlWilm abgestellten Erhebungsbeauftragten denn kämen. Diese Frage konnten (oder wollten?) Sie nicht beantworten.
Ich äußerte meine Bedenken, daß Erhebungsbeauftragte, die im Real Life z.B. im Ordnngsamt, im Sozialamt oder im Gesundheitsamt arbeiten, durch die Befragungen möglicherwiese an Informationen gelangen könnten, die sie im „eigentlichen“ Job gebrauchen könnten.
Das konterten Sie mit dem Hinweis auf die „umfangreiche Schulung“ und die Verschwiegenheitserklärung, die jeder der Erhebungsbeauftragten unterschreiben müsse. Schließlich sei ja die Nutzung solcher Informationen verboten.
Sehr geehrter Herr Krüger: warum kontrolliert das Ordnungsamt in den Parkraum-Bewirtschaftungszonen? Schließlich ist es doch verboten, dort ohne Anwohner-Parkausweis oder Parkticket zu parken?
Warum kontrolliert die BVG die Fahrscheine? Ist doch verboten, ohne gültigen Fahrausweis zu fahren?
Warum kontrolliert die Polizei die Geschwindigkeit von Autofahrern? Es ist doch verboten, schneller als erlaubt zu fahren?
Nachtrag 15.06.2011:
Heute erhalte ich die folgende Antwort:
Sehr geehrter Herr Schlosser!
Ihre Argumentation ist nicht schlüssig!
Ordnungsamt und Polizei werden tätig, weil Bürgerinnen und Bürger zuweilen Gesetzte nicht einhalten.
Die von uns benannten Erhebungsbeauftragten werden – wie ich bereits im Ausschuss vorgetragen habe – vor Ihrem Einsatz in Ihre Arbeit eingeführt und auf die Einhaltung der gültigen Vorschriften (einschließl. des Datenschutzes) verpflichtet.
Dies ist bewährte Praxis bei jedweder Tätigkeit des öffentlichen Dienstes.
Mit freundlichem Gruß
Joachim Krüger
ich frage mich jetzt, ob ich diese „Arroganz der Macht“ in einer entsprechenden Antwort thematisieren sollte….
Nachtrag 16.06.2011:
folgende Email ging eben an Herrn Krüger ab:
sehr geehrter Herr Krüger !
mhmm …
aus Ihren Worten lese ich folgendes:
– Bürgerinnen und Bürger halten sich nicht immer an Gesetze
– Mitarbeiter der (Bezirks-)Verwaltungen halten sich immer an Gesetzeich möchte jetzt wirklich niemandem, schon gar nicht den Beschäftigten in den BVen, irgendetwas unterstellen. Aber ich finde, diese Einstellung ist etwas daneben. Auch die von Ihnen benannten Erhebungsbeauftragen sind letztendlich ja Bürgerinnen und Bürger, und damit gilt auch für sie mein erster Satz.
Daß Erhebungsbeauftrage trotz (angeblich intensiver) Schulung und „Verschwiegenheitsverpflichtung“ manches mal die geltenden Gesetze mißachten, können Sie z.B. hier: http://zensus11.de/beschwerden/ nachlesen.
Meine Frage nach den Abteilungen in der Ausschuß-Sitzung zielte auf § 11 III 4 ZensG ab. Den dort angeführten Fall kann ich mir durchaus vorstellen. Daher wäre es doch interessant zu wissen, aus welchen Abteilungen die benannten Erhebungsbeauftragten denn kommen. Vielleicht können Sie ja über Ihren Schatten springen und mir dieses
– selbstverständlich ohne Namensnennung – mitteilen?
Update 21.07.2011:
nachdem ich auf meine Mail vom 16.06. keine Antwort bekam, fragte ich gestern noch einmal nach und erhielt diese Antwort:
Sehr geehrter Herr Schlosser,
urlaubsbedingt konnten Sie von uns noch keine Antwort erhalten, bitte
haben Sie noch etwas Geduld.Mit sommerlichen Grüßen
Dagmar König
Koordinatorin
Büro Bezirksstadtrat Joachim Krüger
also warten wir weiter…
Update 25.08.2011:
Zwischenzeitlich hatte Herr Krüger eine Frage meinerseits auf abgeordnetenwatch beantwortet; ich konnte also davon ausgehen, daß sein Urlaub beendet ist, und habe eine freundliche Erinnerungsmail geschrieben. Da ich aber immer noch keine befriedigende Antwort auf meine Frage erhalten habe, hab ich gestern abend anläßlich einer Ausschußsitzung Herrn Krüger direkt angesprochen und auf die fehlende Antwort hingewiesen. Wieder war er nicht bereit, meine Frage zu beantworten.
Nun werd ich wohl mal das Berliner Informationsfreiheitsgesetz bemühen müssen…