Die BVV Charlottenburg-Wilmersdorf hat am 17.01.2013 beschlossen, die Kleingartenkolonie Oeynhausen zur Hälfte aufzugeben. Über die Hintergründe hab ich hier berichtet.
Die Sitzung war geprägt von emotionalen Momenten, Schuldzuweisungen und „wir können leider nicht anders“ – Ausreden. Teilweise hatte ich den Eindruck, auf einer Diskussion zwischen den Spitzenkandidaten der drei anderen Parteien zur Bundestagswahl zu sein. Naja – mindestens eine anwesende Person kandidiert ja tatsächlich… Der Ältestenrat hatte in seiner Sitzung am Mittwoch (die wegen der tollen Demo der Kleingärtner verkürzt wurde) beschlossen, alle Anfragen und Anträge zum Komplex Oeynhausen an den Anfang der Sitzung zu legen, direkt nach den Einwohnerfragen. Die CDU brachte einen Antrag ein, der eine sofortige Veränderungssperre verlangte, und überraschte die BVV mit dem Antrag, über diesen Antrag geheim abzustimmen.
Dazu muß man wissen, daß weder in der Geschäftsordnung der BVV noch im Bezirksverwaltungsgesetz eine geheime Abstimmung vorgesehen ist. Nach Rücksprache mit unserem Büroleiter Peter Ottenberg war aber klar, daß eine solche Abstimmung (nach offener Abstimmung durch Handzeichen) durchaus möglich ist.
Die offene Abstimmung über die geheime Abstimmung ging – natürlich – dagegen aus. Daß wir Piraten aber dafür gestimmt haben, hat einiges Erstaunen grade bei der SPD bewirkt. Dazu vielleicht später mehr. Die Abstimmung über den CDU-Antrag ging dann 25:28 aus. Auch der mit gleicher Intention geschriebene Antrag von Nadia Rouhani und Roland Prejawa erhielt dieses Ergebnis. Dabei waren immer die CDU, die Linke und wir sowie 2 Grüne dafür.
Die SPD hatte einen Antrag eingebracht, der die Pläne des Stadtentwicklungs-Stadtrates Marc Schulte eins zu eins wiedergab. Die Grünen hatten am Mittag einen Änderungs-Antrag (Original-Docx-Format) verteilen lassen, der als wichtigste Änderung den Wegfall der Befreiung und die Einsetzung eines ordentlichen, vorhabenbezogenen B-Planes hatte. Der Antrag der Grünen erhielt eine breite Mehrheit. Damit war eine Abstimmung über den SPD-Antrag nicht mehr notwendig, und das führte zu einiger Verwirrung und einer Unterbrechung der Sitzung, denn den Grünen war offensichtlich nicht klar, daß ihr Antrag in der eingereichten Form den Antrag der SPD komplett ersetzte. Unser Büroleiter hat nachträglich dazu geschrieben:
Der „parlamentarischen“ Logik über die Eindeutigkeit und Klarheit von Abstimmungen, die den Willen der jeweiligen „Körperschaft“ unstreitig zum Ausdruck zu bringen haben, entstammt das (letztlich) gewählte Verfahren im vorliegenden Fall.
A) Ersetzt ein Änderungsantrag einen Grundantrag vollständig, weil er wiederum einen vollständigen Antragstext darstellt, und wird er angenommen, entfällt eine Abstimmung über den Grundantrag.
B) Ersetzt ein Änderungsantrag lediglich Teile eines Grundantrags, stellt mithin keinen voll-ständigen Antragstext dar (und beinhaltet insoweit für sich allein keine klare und eindeutige Initiative), und wird er angenommen, ist eine Abstimmung über den Grundantrag zwingend.
Ursache des vorliegenden Problems war, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Änderungsantrag wie B) nicht in der entsprechend eindeutigen Form einbrachte. In der elektronischen Fassung waren zwar die zu ändernden Textteile markiert, dem BVV-Büro erschloss sich diese Absicht jedoch nicht. Das kann allerdings dahingestellt bleiben, weil der Änderungsantrag in der (über zwei Stunden) vorliegenden Ausfertigung (Tischvorlage) jedenfalls dem Charakter eines Änderungsantrags wie A) entsprach. Diesbezügliche mündliche Erläuterungen in der Debatte erfolgten gleichfalls nicht.
Somit hat die BVV mit Mehrheit beschlossen, daß der Deal mit Lorac/Groth angenommen wird, die vom Stadtrat gewünschte Befreiung aber nicht gestattet wird. Statt dessen wird es ein ordentliches B-Plan-Verfahren geben, welches wir natürlich genauestens beobachten werden.
Fraglich ist nach allen mir vorliegenden Informationen allerdings, ob Lorac/Groth mit diesem Beschluß „einverstanden“ ist. Der Kaufvertrag zwischen Lorac und der Groth-Gruppe steht unter dem Vorbehalt der umgehenden Erteilung des Baurechts. Das (vorhabenbezogene) B-Plan-Verfahren wird sicher mindestens ein Jahr dauern, während die von Marc Schulte angestrebte (und womöglich gegenüber Lorac/Groth zugesagte) Befreiung quasi sofort Gültigkeit gehabt hätte.
Die Grünen waren übrigens in der ganzen Woche sozusagen in der Dauerdiskussion. Marc Schulte selbst hat am Donnerstag vormittag im kleinen Kreis verlauten lassen, er rechne bei dem SPD-Antrag mit 26:26 Stimmen, was 3 Enthaltungen und – viel wichtiger – 6 Stimmen aus dem rot-grünen Lager gegen den Antrag bedeutet hätte (zur Erinnerung: CDU 18, SPD 18, Grüne 14, Piraten 4, Linke 1). Nach dem ziemlich peinlichen Auftritt von Dr. Volker Heise am Mittwoch war ich mir da nicht mehr so sicher. Tatsächlich haben nur 2 Grüne dem sicher immensen Druck standgehalten, der von der Fraktionsführung und vom Stadtrat ausgeübt wurde, und bei Nadia Rouhani und Roland Prejawa möchte ich mich ausdrücklich bedanken dafür, daß sie ihre Überzeugung nicht dem Fraktionszwang geopfert haben.
Daß Ansgar Gusy für die Grünen mit weinerlicher Stimme das Abstimmungsverhalten der (Mehrheit der) Fraktion begründete, war letztendlich auch nur noch peinlich.
Gefreut hat mich das positive Echo für uns aus den Reihen der Kleingärnter der Kolonie Oeynhausen. Wie es scheint, haben wir da was richtig gemacht, auch wenn es dann leider doch nix geändert hat…