Wie hat sich ein Bezirksverordneter zu verhalten?

In der Wählergemeinschaft Aktive Bürger, für die ich für die nächste BVV kandidiere, kam die Frage auf, inwieweit sich Bezirksverordnete an die Werte und Ziele der Gemeinschaft gebunden fühlen:

Liebe Christine, Sigi, Klaus, Heinz und Gabriele,
Ihr seid die ersten fünf Kandidaten und könntet in die BVV einziehen. Da stellt sich uns die Frage nach dem Verhältnis zwischen Euch als Bezirksverordnete und der WG.
Seitdem einer von Euch, Sigi, am 4.8./23.55 schrieb:/“rein rechtlich sind die Bezirksverordneten nicht (mehr) der sie tragenden organisation (Partei oder WG) verpflichtet; die tragende Orgnisation hat rein rechtlich keinen Einfluß auf die BV.“ /(was „rein rechtlich“ ja zutrifft), und mit Blick auf mehrere Differenzen zwischen dem Vorstand – und da Ihr fünf ja alle im Vorstand seid, also: zwischen Euch und den Mitgliedern, möchten wir Euch bitten, uns _ganz konkret_ darzulegen, wie _jeder von Euch fünf_ – für den Fall der Wahl – das Verhältnis als Bezirksverordnete(r) zur Wählergemeinschaft sieht (grundsätzlich _und_ organisatorisch).
Da dies eine wesentliche Frage für die weitere Existenz unserer WG ist, bitten wir, daß Ihr fünf die Frage hier im Verteiler beantwortet, damit es jeder nachlesen kann (auch bei Abwesenheit), und zwar bitte bis zum Montag vor der übernächsten Mitgliederversammlung, also bis zum 22.8.
Grüße
C***, M***, S***, S***,

 

Die angesprochenen Vorstandsmitglieder und Kandidat_innen haben ein wenig über die Frage gegrübelt und dann folgende Antwort geschrieben:

„Wenn Mitglieder fragen, haben sie auch das Recht auf eine Antwort.
Wir wollen natürlich nicht bis zur nächsten, oder gar übernächsten, Mitgliederversammlung mit einer Antwort an Euch warten, sondern freuen uns über das in der Frage steckende Interesse an der (hoffentlich) zukünftigen Arbeit unserer potentiellen Bezirksverordneten.

Wenn wir die Frage richtig verstehen, wird nach einer Versicherung verlangt, ob sich die ersten fünf Kandidaten an die Inhalte der gemeinsam gegründeten Wählergemeinschaft auch nach der Wahl gebunden fühlen. Wir sind der Überzeugung, daß diese Fragen eigentlich allen  gestellt werden sollten, nicht nur einzelnen Kandidaten. Schließlich sollte jeder Kandidat diese Fragen beantworten können.

Wir werden uns natürlich nach der Wahl, wie vor der Wahl, an die gemeinsamen Inhalte gebunden fühlen. Dafür haben wir uns getroffen, dahinter stehen wir jederzeit.
Wer uns kennt, weiß, wie sehr sich jeder von uns den gemeinsamen Zielen seit langem verpflichtet fühlt. Wer uns noch nicht so lange kennt, wird uns diesbezüglich kennen lernen.

Der zitierte Hinweis von Sigi war inhaltlich, wie formal, richtig.
In Deutschland sind Parlamentarier jeglicher Ebene, grundgesetzlich geschützt, nicht (!) weisungsgebunden, sondern allein durch das rechtlich gebunden, was Sigi richtig zitiert hat.
Obwohl wir uns natürlich dem Grundgesetz entsprechend verhalten werden wollen, uns also im wahrsten Sinn an das Recht halten (Art.38, GG), impliziert die Frage, jemand von uns, oder alle gemeinsam, würden sich nicht an die bundesverfassungsrechtlichen Regeln halten wollen.
Wir glauben nicht, daß die Mitgliederversammlung Kandidaten aufgestellt hat, die diese Regeln, die natürlich inhaltlich völlig von ihrem Sinn her auch für Ebenen unterhalb des Bundestages gelten, grundgesetzwidrig zu missachten gedenken.
Gleichwohl können wir nur für die Unterzeichner garantieren, daß niemand von uns die Absicht hat, grundgesetzwidrig als Bezirksverordneter zu handeln und uns auch sonst an Gesetze und gleichzeitig die politischen Inhalte unserer Wählergemeinschaft gebunden fühlen.
Zur Pflicht eines Bezirksverordneten gehört für uns, die von der Wählergemeinschaft gemachten Wahlversprechen soweit, wie politisch möglich, umzusetzen. Ebenso gehört dazu, in regelmäßigem Austausch mit den Mitgliedern unserer Wählergemeinschaft zu stehen.
Zur Kür gehört es für uns, eine, also die erste, der mindestens zwei monatlichen Fraktionssitzungen offen für unsere Mitglieder zu gestalten. Die zweite Fraktionssitzung im Monat muss jedoch wenigstens teilweise, aufgrund der von jedem Bezirksverordneten zu unterschreibenden Verschwiegenheitserklärung,  nur für die Bezirksverordneten sein, da teilweise über personenbezogene und andere geschützte Daten beraten wird.

Der Datenschutz ist, zu Recht, ein hohes Gut in unserem Land. Jeder Arbeitnehmer möchte, zu Recht, daß z.B. seine eigenen personenbezogene Daten nicht öffentlich gemacht werden. Ebenso inkludiert diese Verschwiegenheitsplicht z.B. auch Petitionen einzelner Bürger, die an den Ausschuss für Eingaben und Beschwerden gerichtet werden.
Etwas anderes ist natürlich, wenn die Verschwiegenheitserklärung uns daran hindern wird, politisch wichtige Informationen preiszugeben. Da hat es in der Vergangenheit immer wieder Mittel und Wege gegeben, um für die Öffentlichkeit wichtige, dennoch jedoch zu diesem Zeitpunkt „verbotene“ Informationen so preiszugeben, daß einerseits die Betroffenen früh genug davon erfahren und anderseits die Bezirksverordneten nicht der Gefährdung persönlicher strafrechtlicher oder sonstiger Verfolgung auszusetzen.
Wir gehen davon aus, daß die Wählergemeinschaft den potentiellen Bezirksverordneten so viel Weisheit zutraut, in diesen Fällen unseren politischen Überzeugungen auch natürlich nach Übernahme des Mandats verpflichtet zu bleiben. Natürlich wird und kann niemand der Kandidaten aus rechtlichen Gründen zusagen, weder vor noch nach der Wahl alles, was der Geheimhaltungspflicht unterliegt, öffentlich zu machen. Das wäre, der Gesetzeslage entsprechend, bereits straffähig, mindestens jedoch ein Punkt, sich der Erpressbarkeit auszusetzen, was wohl niemand von einem Kandidaten erwarten wird.

Im Übrigen hat unsere Wählergemeinschaft nicht mehrere Spitzenkandidaten wie die Grünen im Berliner Wahlkampf, sondern nur eine Spitzenkandidatin, die sich selbst als ‚Primus Inter pares‘ versteht und dementsprechend nach außen wie innen handelt.

Wir danken Euch für Eure Frage herzlich und hoffen, etwaige Zweifel an den von den Mitgliedern unserer Wählergemeinschaft aufgestellten, von Euch namentlich genannten, Kandidaten beseitigt zu haben.
Wir glauben, daß die von uns hier gegebenen Antworten von jedem potentiellen Bezirksverordneten, egal welcher Couleur,  inhaltlich  in dieser Form gegeben werden müss(t)en. Und wir freuen uns darauf, daß nach Ausräumung eventueller Zweifel, nun alle gemeinsam ihre Energie soweit wie möglich in den Wahlkampf investieren werden.“

Ich möchte diese Antwort für mich folgendermaßen ergänzen:

Fraktionssitzungen sollten grundsätzlich öffentlich sein. Sollte es Punkte geben, die nicht-öffentlich behandelt werden sollen, so kann man einen Teil der Fraktionssitzung als nicht-öffentlich deklarieren. Das machen die Piraten in der BVV CharlWilm seit 5 Jahren so, und das funktioniert wunderbar.

Nicht-öffentlich behandelt werden grundsätzlich alle Personen-Angelegenheiten, ob innerhalb der Fraktion (die ja auch Arbeitgeber ist) oder solche, die aus dem Bezirksamt kommen. Das hat gute Gründe, die in unserer Antwort ja auch aufgeführt sind. Nicht-öffentlich werden auch Dinge behandelt, die aus dem BA mit dem Vermerk „Vertraulich“ an die Fraktionen herangebracht werden. Die Begründungen für eine solche Behandlung können vielfältig sein, und manche scheinen auch den Bezirksverordneten übertrieben. Aber alle BV haben am Anfang der Wahlperiode eine Verschwiegenheitsverpflichtung unterschrieben, die eine öffentiche Behandlung solcher Sachen sowie die Verbreitung von Informatonen gleich welcher Art aus diesen Sachen unter Strafe stellt. In der Juli-BVV hat ein Kollege aus so einem Papier am Redepult, also öffentlich, zitiert, was eine sofortige Unterbrechung der Sitzung und eine Zusammenkunft des Ältestenrats zur Folge hatte. Für seine öffentliche Zitierung wurde der Kollege angesichts des bevorstehenden Endes der Wahlperiode hier nur gerügt. Es hätte auch schlimmer kommen können…

Was ich sagen will: ich bin für die grundsätzliche, vorbehaltslose Öffentlichkeit der Fraktionssitzungen. Das ist unter den Kandidat_innen der Aktiven Bürger durchaus umstritten. Das ist aber eine Frage, die die zukünftige Fraktion der Aktiven Bürger (so es denn eine gibt…) für sich und für ihre Wähler_innen beantworten muß.