Nein, das ist nicht das Ergebnis der deutschen Herren-Fußball-Nationalmannschaft gegen Brasilien – das war mit 7 : 1 doch noch etwas deutlicher. Mit 29 Ja-Stimmen von CDU, Grünen, LINKE. und Piraten bei 15 Nein-Stimmen der SPD und 2 Enthaltungen (Grüne) hat die BVV Charlottenburg-Wilmersdorf am 08.07.2014 in einer Sondersitzung beschlossen, eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB für das Gelände der Kolonie Oeynhausen zu erlassen. Außerdem soll der fast fertige Bebauungsplan IX-205-a bis November festgesetzt werden. Außerdem soll das BA
mit dem Kleingartenverein Oeynhausen und dem Bezirksverband der Kleingärtner Wilmersdorf und gegebenenfalls weiteren Akteuren wie z. B. dem Landesverband der Gartenfreunde, Stiftungen, dem Senat oder privaten Geldgebern, eine verbindliche Verpflichtung zur Übernahme eines etwaigen Entschädigungsrisikos gegenüber der Grundstückseigentümerin vereinbaren.
Die Veränderungssperre war bereits im Ursprungsantrag, der von Nadia Rouhani, Susanne Klose, Marlene Cieschinger, Arne Herz und mir als Gruppenantrag eingebracht wurde, enthalten. Erstaunlicherweise kam von unserer Grünen-Fraktion dann der Änderungsantrag, der unseren Antrag um die Punkte Festsetzung des B-Planes und die Vereinbarung zur Übernahme des Kostenrisikos erweitert. Erstaunlich deshalb, weil die grüne Fraktion in der Juni-BVV einen entsprechenden Antrag von CDU und Piraten durch einen Ersetzungsantrag verhinderte. Wie ich hörte, gab es vom Landesverband, vom Kreisverband und von der AGH-Fraktion erheblichen Druck auf unsere grüne Fraktion, der nach wohl heftigen Diskussionen, bei denen wohl auch der zuständige Stadtrat zumindest zeitweise anwesend war, schließlich zu diesem Antrag führte.
Die SPD-Fraktion hat in der BVV am 03.07.2014 mittel GO-Trick versucht, den Beschluß zu verhindern: sie beantragte die Überweisung in den Haushalts-Ausschuß, um die Auswirkung des Antrags auf den Haushalt des Bezirkes prüfen zu lassen. Dabei steht im Antrag explizit:
Dabei wird klargestellt, dass aufgrund der Haushaltslage des Bezirks von ihm keine öffentlichen Mittel für Zahlungen an den Grundstückseigentümer bereitgestellt werden.
Hintergrund war angeblich, daß, wenn die Überweisung abgelehnt würde, der Antrag als solcher hinfällig wäre. Ich sehe das ein wenig anders, weil unsere Geschäftsordnung dazu folgendes sagt:
§ 23
Reihenfolge der Abstimmung
(1) Bei der Abstimmung ist nachfolgende Reihenfolge einzuhalten:
…
d) Anträge, die, ohne die Sache zu berühren, lediglich Vorfragen betreffen, insbesondere Überweisung an einen
Ausschuss, Einholung einer Auskunft und dergleichen,
…
(3) Lehnt die BVV eine Beschlussempfehlung ab, ist über den Ursprungsantrag abzustimmen.
(Hervorhebungen von mir)
, aber sei’s drum. Im HH-A wurde dann nur kurz diskutiert und mit Mehrheit von CDU, Grünen, Piraten eine Beschlußempfehlung zur Annahme beschlossen. Dann machten sich alle auf den Weg zur Sonder-BVV ins Rathaus, um den einzigen Tagesordnungspunkt abzuhalten, den Beschluß. Petra Vandrey begründete nochmal den Antrag, und für die klaren Worte, die sie dabei benutzte, verdiente sie sich meinen Applaus. Ich selbst beantragte namentliche Abstimmung, „damit 2016 die Wählerinnen und Wähler nachlesen können, wer heute für, und wer gegen die Durchsetzung des Bürgerwillens stimmt“. Die Auszählung brachte die Empore zum Jubeln und Klatschen – Leute, das habt Ihr Euch aber auch verdient!
Wie geht’s nun weiter?
Das Bezirksamt hat bereits angekündigt, daß es nach § 18 BezVG die von Reinhard Naumann und Marc Schulte als gegeben gesehene Rechtswidrigkeit des Beschlusses (wobei Reinhard Naumann im HH-A wohl geäußert haben soll, das sei dann doch nicht gegeben…) durch das bezirkliche Rechtsamt prüfen lassen will. Dafür hat das BA 2 Wochen Zeit. Liegt die Beanstandung vor, hat die BVV einen Monat Zeit, eine Entscheidung der Bezirksaufsichtsbehörde zu beantragen. Deren Entscheidung ist dann – im Gegensatz zu dem, was ich dem Tagesspiegel gestern abend gesagt habe – bindend, eine Klage dagegen nicht möglich.
Juristen, die ich dazu befragt habe, sehen keine Rechtswidrigkeit unseres Beschlusses. Ich bin selbst kein Jurist und kann dazu nix sagen…
Sollte der Beschluß nicht rechtswidrig sein, muß das Bezirksamt unmittelbar die Veränderungssperre erlassen, den B-Plan bis Ende November 2014 in Kraft setzen, ein Gutachten zur Höhe der Entschädigung einholen und Gespräche mit den angeführten Akteuren führen, um eine Finanzierung hinzubekommen. Die Frage der Rechtswidrigkeit dreht sich hauptsächlich um die sogenannte „faktische Veränderungssperre“, die seit über drei Jahren bestehen soll. Zu dieser Frage gibt es diverse Äußerungen von Gutachtern. Auch zur Höhe eines evtl. zu zahlenden Schadensersatzes gibt es allerlei Zahlen – von 0 bis 52 Millionen Euro geht dabei die Spanne.
Insgesamt sehe ich den gestrigen Beschluß als wichtigen Schritt hin zur dauerhaften Sicherung der Kolonie an. Es ist aber bei weitem nicht der Letzte, der alles Entscheidende. Der Kampf geht weiter. Aber wie sagt Frank Sommer immer: “Venceremos!”.
Nebenbei: das Auftreten unseres Bezirksbürgermeisters gestern in der BVV fand ich – nun ja, daneben. Er trug eine schwarz-rot-goldene Stoffblumenkette. Mit der Würde seines Amtes kann ich so etwas in einer immerhin offiziellen und von der Presse gut beobachteten Veranstaltung nicht in Einklang bringen.