Der Tod steht vor der Tür

Ich denke, ich kann gut mit dem Tod umgehen. Der ist für mich Teil des Lebens, gehört dazu, und ist ja unausweichlich. Daher habe ich bislang, wenn ein mir nahestehender Mensch gestorben ist, das immer mit Fassung und ohne Tränen und Geheul ertragen. Es hilft ja nichts. Wer weiß, was danach kommt: Himmel, Hölle, Flußwelt ?

Vielleicht liegt das auch an dem Umgang, der in meiner Kindheit mit den Toten gepflegt wurde: diese wurden vom Bestatter quasi unmittelbar im Sarg „drapiert“ und dann für 3 Tage in der Wohnung aufgestellt, meistens im Wohnzimmer, abgedunkelt, mit Kerzen und Blumen drumherum im offenen Sarg. Es war für uns Kinder selbstverständlich, daß der Tote in der Wohnung auch immer präsent war. Die Beerdigung mit dem Transport des Sarges (meistens noch mit Pferdefuhrwerk) vom Trauerhaus zum Friedhof samt hinterhertrottender Trauergemeinde gehörte ebenfalls zum Leben dazu. Wir Schulkinder hatten oft die Aufgabe, den Zug mit dem Geläut der Schulglocke zu begleiten.

Warum ich das erzähle? Meine Mutter liegt im Sterben. Seit Freitag ist sie im Krankenhaus, ihr Zustand nach Lungenentzündung, Nierenversagen und Herz-Rhytmus-Störungen hat sich nicht gebessert. Im Grunde liegt sie nur im Bett, wimmernd, nicht ansprechbar – ein Bild des Jammers. Ich kann diesen Anblick nur wenige Minuten ertragen und wünsche mir im Stillen, daß es bald vorbei sei. Das ist das erste Mal, daß ich so ein Siechtum miterlebe.

Bei meinem Schwiegervater war das damals total anders: schön Mittag gegessen, im herrlichen Sommerwetter auf den Weg zur Laube in der Kleingartenanlage gemacht, die Tür aufgeschlossen, einen Schritt in den Garten gemacht, umgefallen, tot. So wünsche ich es mir.